Rotraud A. Perner

Frau müsse doch aus Solidarität die einzige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentschaft wählen, meinte heute eine Freundin. Nein, widersprach ich – Solidarität übe ich mit benachteiligten Menschen, nicht mit Privilegierten, die € 9.000,– Pension als normal bezeichnen und dazu noch an Zusatzfunktionen festhalten, die Sitzungsgelder einbringen. Für mich zählt primär Kompetenz – und zwar nicht nur die aus dem Stammberuf. Die finde ich nämlich nach etwa zehn Jahren Berufspraxis als selbstverständlich.

Ich spreche Frau Bundespräsidentschaftskandidatin Griss beispielsweise historische Sensibilität ab.

 

Zur Erinnerung: Sie hat ziemlich aggressiv reagiert, als sie der geniale Hanno Settele in der ORF-Sendung Wahlfahrt fragte, weshalb sie die Protokolle der Zeugenaussagen im Hypo-Untersuchungsausschuss habe vernichten lassen. Die hätte man nicht mehr gebraucht, war ihre Antwort, weil ja ohnedies die Zusammenfassung der Aussagen im Akt wäre – und außerdem hätte man keinen Platz für die Aufbewahrung gehabt.

Das ist die Antwort einer Hausfrau, die im Osterputz wegwirft, was sie nicht mehr zu brauchen meint.

Aus dem Blickwinkel der Rechtspsychologie, der Politologie, der Soziologie, von Geschichte ganz zu schweigen, vor allem aber der Sprachwissenschaft ist es hochinteressant, Wortwahl und Semantik von Aussagen in derart korruptionsverdächtigen Causen zu analysieren.

Mir ist bewusst, dass man nicht verhindern kann, dass „Mächtige“ Beweismittel – egal aus welchen Gründen – verschwinden lassen. Aber sie sollten zumindest ein Gespür für die Notwendigkeit mehrfacher kritischer Überprüfungen besitzen und sich selbst als Person nicht für die „letzte Instanz“ halten.