Politikverdrossenheit

"Perners Notizen" | Wiener Zeitung

„Perners Notizen“ in der
„Wiener Zeitung“

Vor wenigen Jahren noch war ein Bonmot in Umlauf, Politiker sprächen von Politikverdrossenheit, um von der Politikerverdrossenheit abzulenken. Das war bevor einheimische Spindoktoren begannen, politische Auseinandersetzungen als Medienspektakel zu inszenieren.

Vielleicht waren es die ehemaligen Schauspieler Ronald Reagan oder Melina Mercouri, deren Herkunftsberufe manchen Imitatoren Mut machten, alte Sehnsüchte nach Selbstdarstellung im Stil mittelalterlicher Rüpelspiele auf der Politbühne auszuleben. So nach der Devise: Einmal Schauspieler, immer Schauspieler. Dass Reagan als Funktionär der Schauspielergewerkschaft seine Politkarriere startete, bleibt dann ebenso im Hintergrund wie bei Mercouri die Arbeit im Widerstand. Das ist ja keine „G’schicht“. Auch unser heimatlicher Kulturstaatssekretär soll ja einst ein wilder Revoluzzer gewesen sein – so demonstriert zumindest von Teddy Podgorski voriges Jahr im TV.

Aber braucht Politik einen „Spaßfaktor“ – wie der neugekürte Spitzenkandidat des Liberalen Forums verkündet?

Müssen Spitzenkandidaten das waagrecht weggestreckte Spielbein einer Tänzerin streicheln, um Lockerheit zu demonstrieren? Muss ein Minister in Sportdress auf Rollerblades durch die Endlosgänge seiner Tintenburg düsen, um Dynamik zu vermitteln? Muss gezupft und geflötet und in die Tasten des Schifferklaviers gegriffen werden, um Volksverbundenheit zu verlauten und das musische Gebot zu indoktrinieren: Wo man singt, da lass dich ruhig (nämlich ohne Widerrede!) nieder!?

Man brauche heutzutage solche Events und Fototermine, habe auch ich seinerzeit, als ich noch Politikerin war, in den PR- Schulungen für Politfunktionäre zu hören bekommen, das erhöhe den Erinnerungswert bei der Wählerschaft. Und: ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und diese Botschaft müsse außergewöhnlich sein, sonst ginge sie in der Bilderflut unter. Aber welche Aussage kommt dann an? Und was bleibt im Gedächtnis?

R. G. Schwartzenberg schreibt in „Politik als Showgeschäft“, Politiker müssten den Archetypen des Helden, des Vaters, des Technokraten oder des kleinen Mannes von nebenan entsprechen, sonst wären sie der Wählerschaft suspekt. (Politikerinnen hätten analog nur Chancen als Mutterfigur – Technokratinnen würden als Unfrauen im Diskurs niederkonkurrenziert, Heldinnen landeten wie Jeanne d’ Arc auf dem Scheiterhaufen.) Ob sie es tatsächlich wären, wäre dabei egal … Vom Archetyp des „Tricksters“ – des listigen Spassvogels – schrieb er nichts. Der brave Soldat Schwejk, der liebe Augustin, Nasreddin, Till Eulenspiegel und wie sie alle heißen sind keine Führerpersönlichkeiten: sie führen höchstens an der Nase herum, aber nicht in eine bessere Zukunft.

Ich kann mich an eines der vielen Seminare erinnern, das ich im Rahmen der Verwaltungsakademie des Bundes abhielt, in dem eine Konfliktsituation in immer wechselnder „Besetzung“ durchgespielt wurde, um eine zufriedenstellende Lösung des verdeckten Machtkampfes zwischen Bürger und Beamten zu erarbeiten. In einem dieser wiederholten Rollenspiele gelang es einem der Beamten, mehrfach die Lacher auf seine Seite zu bringen. Zum Schluss blickte er stolz in die Runde („Na – wie war ich?“) – er war der Sieger. Da sagte ein anderer Beamter aus der Beobachterrunde: „Aber Du weißt schon, dass Du keine beamtliche Dienstleistung erbracht hast?!“

An diesen Satz musste ich denken, als ich hörte, der neue LIF-Frontmann wolle für den Spaßfaktor in der Politik sorgen. Ich denke, gerade der ist es, der zur Verdrossenheit führt – nämlich über Showgeschäft statt Politik.