Radio Ö1 | 08-08-2022 | 13 Uhr

Pflege: Ross und Reiter:in zugleich

Über die komplizierte Beziehung zwischen pflegenden und gepflegten Angehörigen.

Dr. Rotraud A. Perner zu Gast bei Elisabeth Scharang in der Sendung „Punkt 1“
Ö1–RADIO | 08. August 2022, 13:00

Foto: DPA / Sebastian Kahnert

Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79
E-Mails an punkteins(at)orf.at

„Wir haben zu anstrengende Vorbilder was Pflege betrifft“, sagt Psychologin und Autorin Rotraud Perner. In ihrem neuen Buch „Pflegen ohne Auszubrennen“ thematisiert sie Themen, die zumeist hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, weil sie mit Scham, Trauer und Schmerz besetzt sind. Wenn Angehörige zu Pflegenden werden, dann sei die Überforderung meist nicht weit, schildert Rotraud Perner die komplizierte Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten.

Im familiären Bereich endet diese Eskalation im schlimmsten Fall in der Tötung der zu pflegenden Person mit anschließendem Suizid, wie das in Wien kürzlich zwei Mal hintereinander geschehen ist. Wie können Zuwendung und Zumutung in einem erträglichen Ausmaß austariert werden? „Pflege ist ein kreativer Prozess“, schreibt Rotraud Perner. „Es geht um Veränderung, auch um das Loslassen eines Idealbildes von sich selbst. Je weiter sich jemand von diesem Idealbild entfernt, desto gefährdeter ist seine bzw. ihre Selbstachtung. Das betrifft alle in Augenblicken des Kraftverlustes und macht viele aggressiv, besonders Personen, die sich selbst nicht mehr versorgen oder pflegen können.“ Die Aggressionen seien allerdings auch ein Kraftzuwachs, um etwas an der Situation zu verändern. „Allerdings sind bei uns nur die „verbotenen“ Formen von Aggressionen bekannt und weniger die sozial erwünschten.“

Welchen Umgang mit Aggression kann man erlernen, damit es zu keinen Verletzungen und Machtmissbrauch kommt? Wie können Grenzen und Würde gewahrt werden, wenn doch die Abhängigkeit auf beiden Seiten – den Pflegenden und den Gepflegten – meist sehr groß ist?
„Wir müssen uns fragen: Was ist das Ziel in der Pflege? Was sind unbewusste Erwartungen von beiden Seiten und wie kommt man vom Schuldgefühl in die Selbststärkung?“ Rotraud Perner begleitet als Psychotherapeutin nicht nur pflegende Angehörige sondern als Supervisorin auch professionelles Pflegepersonal. Sie selbst hatte viele Jahre einen demenzkranken Mann, der vor allem von ihrem älteren Sohn und Mitautor dieses Buches gepflegt wurde. Rotraud Perner erinnert sich auch, wie sie als Kind ihrer frisch operierten Mutter „assistieren sollte“ und ihr die Überforderung ob dieser Situation bis heute präsent ist.

Welche Erfahrungen haben Sie als pflegende:r Angehörige:r mit Selbstfürsorge und Überforderung? Welche Unterstützung wünschen Sie sich als zu pflegender Mensch und wo sehen Sie Ihre Grenzen verletzt?

Rotraud Perner ist zu Gast bei Elisabeth Scharang und Sie sind herzlich eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen: Schreiben Sie uns an punkteins(at)orf.at oder rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79

Buchtipp:
Rotraud A. Perner / Roman A. Perner
Pflegen ohne Auszubrennen
aaptos Verlag, 2022

Ö1 – RADIO

Montag, 08. August 2022
13 Uhr