Horror

"Perners Notizen" | Wiener Zeitung

„Perners Notizen“ in der
„Wiener Zeitung“

Sogar in der Auslage der Missio in der Weihburggasse in Wien prangen zwei schwarze Hexenhüte – und im Werbefernsehen lockt Mc Donalds mit einem beleuchteten Horrorkürbis für höllisch scharfe Chicken Wings. Halloween steht vor der Tür. Soll wohl spaßig sein – Hexenkult für kleine Kinder und solche, die es ewig bleiben wollen. Oder auch die Bestätigung, dass man keine Angst mehr hat – denn es hat lange Tradition, kleinen Kindern Angst zu machen.

Ich kann mich noch an meine Vorschulzeit erinnern, kurz nach dem Krieg: da wurde mir oft gesagt, dass „das Wasser schon wieder nicht“ den „Aufstieg“ in den zweiten Stock geschafft habe, und wir es daher aus dem Keller „abholen“ müssten, ich Winzling auch, und einmal leuchtete mir dann so ein grünes Gruselgesicht entgegen – wobei ich natürlich nicht wusste, dass es ein Kürbis war – und ich lief schreiend und angsterfüllt davon und bekam als Draufgabe noch den Spott meiner Eltern, die sich „teuflisch“ amüsierten, dass ich, die noch nie einen Kürbis gesehen hatte, so furchtsam wäre. Später wich der Hohn verzweifeltem Ärger, dass ich nie mehr in den Keller gehen wollte.

Meine Eltern waren beide Pädagogen. Schwarzpädagogen, wie ich heute Katharina Rutschky („Schwarze Pädagogik – Quellen zur Naturgeschichte der bürgerlichen Erziehung“, Ullstein Taschenbuch) zitieren würde. Mit dieser Farbqualität soll angedeutet werden, dass Kinder in ihrer Selbstachtung, aber auch Widerstandskraft (und damit Immunsystem, das lässt sich sogar über die kurzfristig folgende Veränderung der Blutwerte konkret nachweisen) geschädigt werden, indem man sie gegenüber anderen Kindern oder sich selbst herabsetzt, sogenannte Scherze über ihre Unzulänglichkeiten macht oder ihre Grenzen nicht respektiert. In der Monarchie des 19. Jahrhunderts, als man vor allem gehorsame Untertanen heranziehen wollte, mag das die zutreffende Methode gewesen sein – in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihren Herausforderungen an kreativem Denken zur Lösung wachsender Umweltprobleme und chemisch – physikalischer Bedrohungen war sie es sicher nicht mehr.

Pädagogik kann man unterschiedlich interpretieren. Viele wollen sie auf reine Wissensvermittlung reduziert wissen. Das ist eine Illusion: man lernte immer auch Beziehungsformen mit. Partnerschaftliche Zusammenarbeit etwa, oder Konkurrenz – oder Unterwerfung. Wenn wundert es also, wenn Kinder und Jugendliche sich gegen Unterwerfungstendenzen sträuben, vielleicht sogar den Schulbesuch verweigern?

Wen wundert es also auch, wenn – wie vergangene Woche zu erfahren war – Schülerinnen sich nicht mehr zur Schule trauen, weil sie ein übergriffiger Lehrer – mehr oder weniger erfolgreich – sexuell zu nötigen versucht hat?

Der „Missbrauch der Woche“ diesmal im Schulbereich, gelegentlich im kirchlichen Rahmen, überwiegend im Elternhaus … Da schrieb mir unlängst eine „Nachbarin“ über ihre erfolglosen Warnungen an eine Mutter einer Halbwüchsigen, die vom Stiefvater „beschlafen“ wird: „Ihr Mann meint, dass es normal ist, dass man als Vater die Tochter in die Sexualität einführt“. Sofort erinnerte ich mich an eine meiner Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte, in der eine Religionslehrerin (!) genau dieselbe Ansicht vertrat.

In meinem Buch „Sein wie Gott – Von der Macht der Heiler“ thematisiere ich genau diesen Allmachtswahn: sich selbst für den Gesetzgeber und Herrn über die – heuten meist nur mehr – soziale Lebensberechtigung anderer zu halten. Alle, die beruflich aber auch privat Einfluss auf andere Menschen haben, brauchen eine dahingehende Ausbildung, um ihr eigenes „Giftpotenzial“ zu erkennen und zu kontrollieren. Wir sollten alle mehr darüber nachdenken, mit welchen Warnungen uns unsere „Freundin Angst“ behüten will.