„Gewaltfreie Steiermark“
I
Sprache hat Suggestivcharakter.
Das Wort „Gewalt“ löst bei jedem Menschen unterschiedliche geistige Bilder aus. Diese sind – je nach Indoktrination und Biographie – so zahlreich und intensiv, dass man mit größter Wahrscheinlichkeit rechnen kann, dass das Wort „Gewaltfreiheit“ sofort massive Ablehnung auslöst: sie ist gegenüber der Allgegenwart von Gewalt nicht „vorstellbar“. Üblicherweise folgen sofort heftige verbale Angriffe mit dem Ziel zu beweisen, dass Gewaltfreiheit unmöglich ist.
Wenn also Menschen formulieren, „Aber ohne Gewalt geht es doch nicht!“ oder „Menschen sind eben gewalttätig – da kann man nichts machen“, schließe ich daraus primär, dass Alternativen unbekannt sind, und sekundär, dass beim Versuch, Alternativen als brauchbare Ersatzhandlungen zur Bewältigung aggressionsgeladener Lebenssituationen anzubieten, besonders darauf geachtet werden muss, nicht „mit Gewalt“ aufzutreten.
II
Weswegen verteidigen selbst durchaus friedfertige Menschen Gewalt?
• Zuallererst führe ich deren spontanen Reaktionen, Zukunftsvisionen von gewaltfreiem Zusammenleben abzulehnen, auf unbewusste Ängste zurück, ohne gesellschaftliche „Erlaubnis“ zur Alltagsgewalt möglichen Angreifern hilflos ausgeliefert zu sein.
• Ich respektiere derartige Ängste als individuelle Reaktion und setze daher meine Arbeit dahingehend fort, dass ich überlege, was gegen diese befürchtete Hilflosigkeit hilfreich wäre.
• Ich vermute, dass es an hilfreichen Modellen fehlt, wie man im Falle eines – körperlichen, psychischen, sexuellen oder anderweitig sozialen – Angriffs anders als durch gleichartige Gewalt selbstbeschützend reagieren könnte.
• Ich vermute weiters, dass schon im vorhinein Modelle fehlen, wie man möglichst frühzeitig erkennen kann, dass ein Angriff erfolgen wird.
• Und ich vermute darüber hinaus, dass beobachtbare Erklärungsmodelle fehlen, wie sich Aggression und Gewalt im Menschen entwickelt, aufbaut und unvermeidlich ausdrückt.
• Ich vermute weiters, dass der eigene Anteil an Situationen eskalierender Gewaltbereitschaft nicht wahrgenommen – verleugnet – wird.
III
Um Menschen ein nachvollziehbares einfaches Modell zur gewaltfreien Begegnung mit gewaltbejahenden, gewaltbereiten oder gewalttätigen Menschen anzubieten, braucht es
• Anlässe, damit persönliches Interesse an der Problematik erweckt wird,
• passende Zeiten und Orte, zu welchen man die Menschen erreicht (im Idealfall ist immer jemand „vor Ort“, der über das nötige Wissen und Handeln verfügt),
• ein verlässliches, einfach nachvollziehbares Standardvorbild für eigene Aktivität um Unterlegenheitsgefühle hintan zu halten.
IV
Aus meinen Erfahrungen aus mehr als dreißigjähriger Arbeit ziehe ich den Schluss, dass am Beginn jeglicher Gewalt eine Situation der Konkurrenz – nämlich des wertenden Vergleichens unterschiedlicher Erscheinungsformen – steht.
Vergleiche richten sich nach Kriterien von „mehr“ oder „weniger“ (Quantität) bzw. „besser“ oder „schlechter“ (Qualität). Sie setzen voraus, dass das, was miteinander verglichen wird, real oder phantasiert, so „nah“ nebeneinander positioniert ist, das Unterschiede auffallen. Verändert man diese Nähe in Richtung größerer Distanz, verändert sich die gefühlsmäßige Reaktion.
„Was zu nahe ist, sieht man nicht – man spürt es, angenehm oder unangenehm.“
Ein nachvollziehbares Standardmodell für Gewaltverzicht muss also Anleitung zur Distanzierung beinhalten – so wie der Ringrichter im Boxring die Kämpfenden mit einem „Break!“ trennt, braucht man ein schnell verfügbares Modell der Unterbrechung der Gewalt aufbauenden Beziehungsdynamik. Dieses Modell ist in meinem März 2001 erschienenen Fachbuch „Schaff‘ Dir einen Friedensgeist – Gewaltprävention im Alltag“ [Rotraud A. Perner, „Schaff‘ Dir einen Friedensgeist – Gewaltprävention im Alltag! Aaptos Verlag Wien 2001], das als Begleitbuch zum Projekt „Gewaltfreie Steiermark“ gedacht war, aber auf Grund der unvorhergesehenen Störungen im Projektablauf nicht wie geplant Ende 1999 realisiert werden konnte, dargestellt.
1. Das Vorhaben
1.1.
Die Entstehungsgeschichte des Konzepts
Im Frühjahr 1991 hielt ich über Einladung von Dr. Wilfried De Waal im Rahmen der ÖVP – Sicherheitsgespräche einen Vortrag über die Probleme Jugendlicher im Zusammenhang mit Gewalt, mögliche Ursachen, Abhängigkeiten und Gegenmaßnahmen. Es war damals noch nicht so lange her, dass ich als Hausleiterin und Projektleiterin aus dem Verein Jugendzentren der Stadt Wien ausgeschieden war; auch supervidierte ich noch im Verein insbesondere bei Integrationsprojekten und war auch noch eng mit der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse und Sozialtherapie verbunden, in deren Rahmen wir einerseits „ambulante“ therapeutische Arbeit an unüblichen Orten – z. B. Sportplätzen, „Beiseln“ oder in Wohnheimen, selbstverständlich auch „an der Bar“ in Jugendzentren – konzipierten und erprobten, andererseits auch gleichzeitige Konfliktregelungen mit unterschiedlichen Interessensgruppierungen – z. B. Lehrer/ Eltern/ Schüler –Konflikte oder Senioren/ Geschäftsleute / skatende Jugendliche – initiierten und durchführten, also das, was später unter dem Namen Großgruppenmediation bekannt wurde, praktizierten. Ich nutzte die Gelegenheit, den anwesenden Politikern und Beamten – z. B. der Wirtschaftskamme – Informationen über diese neuartige „Feldarbeit“ nahe zu bringen.
Nach meinem Vortrag ersuchte mich der damalige Sicherheitssprecher der ÖVP, Abg. z. NR Dr. Hubert Pirker, um die Erstellung eines Konzepts für ein multimediales Projekt zur Gewaltprävention.
Dieses wurde ihm von mir am 8. 5. 1991 erstellt und von Dr. Pirker zuerst an Dr. Heginger, von diesem an Dr. Rosenberger, beide Bundesministerium für Unterricht, weitergeleitet. Wie ich auf spätere Nachfrage erfuhr, unterblieb die weitere Bearbeitung infolge eines Ministerwechsels.
Im Zuge eines Gesprächs mit der damaligen Familiensprecherin der ÖVP, Abg. z. NR Rosemarie Bauer, berichtete ich erneut von diesem Konzept und überarbeitete es auf deren Wunsch am 18. 11. 1992.
Eine dritte Neubearbeitung nahm ich auf Grund eines Gesprächs mit dem späteren Familiensprecher der ÖVP, Abg. z. NR Franz Kampichler 1996 vor.
Die Endfassung dieses Konzeptes sah folgendermaßen aus (alte Rechtschreibung!):
K O N Z E P T F Ü R E I N M U L T I M E D I A L E S P R O J E K T
G E W A L T P R Ä V E N T I O N
• erstellt am 8. 5. 1991 über Ersuchen von Abg. z. NR Dr. Hubert Pirker
• überarbeitet am 18. 11. 1992 nach Gespräch mit Abg. z. NR Rosemarie Bauer
• überarbeitet am 10. 7. 1996 nach Gespräch mit Abg. z. NR Franz Kampichler
Ich habe bei Erstellung dieses Konzeptes auf größtmögliche Kostenersparnis und daher die bestmögliche Nutzung bestehender Einrichtungen Bedacht genommen.
I
Gewalt, insbesondere sexuelle Gewalt, gegen Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene, insbesondere Alte, nimmt erschreckend zu. Beängstigend kommt hinzu, daß neuerdings auch die Darstellung solcher Gewalttaten zunehmen – „Liebhaber“ zahlen Sonderpreise für solche Machwerke.
II
Gewaltprävention wird traditionell dem „System“ Justiz zugewiesen: durch „Generalprävention“ sollen potentielle Täter abgeschreckt, durch „Spezialprävention“ manifeste Täter geläutert und an Wiederholungen gehindert werden.
Durch Strafe lernt aber niemand, wie er / sie sich anders verhalten sollte.
Aus meiner Sicht ist das „System“ Pädagogik, insbesondere die Medienpädagogik herausgefordert: es geht um positive Vorbilder für
• gewaltvermeidendes Denken, daher auch
• gewaltfreies Verhalten,
• gewaltabwehrendes Verhalten und
• selbstverteidigendes Verhalten.
Gewalt entsteht im Machtanspruch oder in der Abwehr von Ohnmachtsgefühlen. Es zielt immer auf ein Opfer – jemand, der / die sich nicht (mehr) wehren kann. Im Suizid ist man es selbst.
Daher geht es darum zu lernen, wie man sich so verhalten kann, daß man nicht zum Opfer wird und auch niemand zum Opfer machen muß. Körperliche Aktion verzichtet auf Sprache. Sprache kann körperliche Aktion ersetzen. Sprache kann Gefühle ausdrücken, feindselige ebenso wie hilflose. Sprache kann Visionen beschreiben ebenso wie Empfindungen.
Gewaltprävention heißt: eine Vision der Gewaltfreiheit als geistiges Bild zu entwickeln und besitzen und in Sprache kommunizieren können.
Gewaltprävention ist daher immer auch Spracherziehung.
III
Wer gegen Gewalt arbeiten will, braucht daher
• Selbst- wie Problembewußtsein und
• eine adäquate Sprachform, eventuell Körpertechniken.
Daher brauchen primär
• Eltern, Kinder und Jugendliche,
• Angehörige von Elternersatzberufen, das sind vor allem
• Angehörige von Bildungs- (Kindergärtnerinnen!), Sozial- (Pfarrer!) und Gesundheitsberufen (Krankenpflegepersonen!), sowie sekundär
• Alle Beamten, insbesondere in Exekutive und Justiz, sowie Politiker/innen
• Informationen über Formen der Gewalt,
• ihre Folgen,
• ihre Ursachen und Rahmenbedingungen,
• Modelle des gewaltfreien Umgangs,
• Verhaltensmodelle zur Gewaltprävention,
• Modelle zur Krisenintervention und
• Modelle zum Umgang mit Gewalttätern.
IV
Als Ressourcen bieten sich an:
• Unterricht in allen schulischen und außerschulischen Einrichtungen und in der Erwachsenenbildung,
• Daher brauchen wir dazu geeignete Unterrichtsmaterialien. Diese können im Rahmen der Lehreraus- und -fortbildung erarbeitet werden.
• Elternbildung,
• dazu bietet sich einerseits das Instrumentarium der „Elternbriefe“ an,
• andererseits gezielte Einbindung elternspezifischer Medien (wie „Eltern“, „Elternblatt“, „Baby Express“ etc.),
• gezielte TV – Spots (gesponsert z. B. durch Nestlé, Faber Castell,…) sowie
• spezifische Videos, die im TV laufen können, aber auch im Säuglingspaket oder über Werbeveranstaltungen zukommen;
• Einsatz neuer Technologien (eventuell in Kombination mit einem Treffpunkt)
• Einbindung aller einschlägigen Berufe in
– Herstellung von Öffentlichkeiten und
– Zusammenarbeit im Einzelfall, daher
• Schaffung von „Zeitinseln“ im Beruf zur Vernetzung, Erarbeitung von Strategien, Dokumentation und Supervision,
• regelmäßige Fortbildung: Beziehungsarbeit kann nur „in Beziehung“ gelernt werden. Pädagogische Rezepte müssen als Fertigkeit erlernt werden, nicht als abstrakt einsetzbares Rezept; das wäre wieder Gewalt.
• Train the Trainer (über Universitäten, Pädagogische Akademien und Institute, aber auch als TV – Akademie).
• Unterbrecher-Spots bei Gewaltszenen in Film und TV, Video etc. („Warnung des Familien/ Frauen/ Unterrichts/ Gesundheits/ Sozialministeriums: Dieses Verhalten ist geeignet, ihre leibseelische Gesundheit zu gefährden!“)
• themenspezifische Medienverbundprogramme: Video + Buch + Gruppenarbeit in Bildungshäusern und Volkshochschulen oder auch Beratungsstellen.
• Einsatz von Videos in Ambulanzen und anderen Einrichtungen, wo man oft lange warten muß (Bahnhöfe? Passagen?)
• „Sit Coms“ als Vorbildsgeber (Elfriede Hammerl? Christine Nöstlinger? Wechselnd?): „Frieden kann man lernen“
• Standardseminare und Workshops (erarbeitet in Bildungseinrichtungen). Ermöglichen von
• Einrichtung von Familienforen als Informations- und Impulsgeber sowie Diskussionszentren.
• Einsatz von mobilen Antigewaltbussen
• Ministerielle Öffentlichkeitsarbeit (BmfA&S, BmfFam, BMfG, BmfI, BMfJ, BmfU; eventuell BMfW), insbesondere Durchflutung der Elternzeitschriften mit KONKRETEN Anregungen zur Verhaltensänderung.
• Kooperation mit Ländern, Bezirken, Gemeinden
• Sichtbares Solidaritätszeichen: Bundesländerfarben als Schleife?
• „Das hat geholfen!“ – Sammlung über Medien, Veröffentlichung in Buchform
V
Methodisch: Erarbeitung und Unterricht in spezifischen Antigewaltstrategien:
• sprachlich,
• körperlich,
• pädagogisch – therapeutisch
zum Einsatz
• für die „Heilung“ der Opfer,
• für die allfällige Rehabilitation der Täter und
• für die permanente Kontrolle der Täter (siehe mein Essay „Menschenjagd“ in meinem Buch „Schuld & Unschuld – Täter und Opfer sexueller Gewalt“, aaptos Verlag Wien 1994)
Die derzeitige Unterrichts- wie auch Therapiemethoden sind insuffizient: für die Schulung, selbstachtend, selbstschützend und angstvermeidend mit Attacken umgehen zu lernen ebenso wie für die Bewältigung sexuell verursachter Traumen genauso wie für eine Rehabilitation der Täter bzw. die Heilung derer Störungen.
Das von mir entwickelte Therapiekonzept setzt
• auf die Entwicklung und Förderung von Beziehungsfähigkeit,
• Respekt gegenüber sich und anderen und
• Die Herstellung von Wahrheit.
Dazu ist Konfrontation mit Wahrheit erforderlich, und dies „in Beziehung“. Die von mir entwickelte Therapieform [„Intuitiv-linguistische Integrationsmethode“ (ILI ®)] ist methodenintegrativ: sie kombiniert psychoanalytisches Wissen mit personzentrierter Begegnung, transaktionsanalytischem Machtverzicht und systemischen Interventionen unter neurolinguistischen Formulierungen von Grenzsetzungen.
Zusätzlich zu diesem Versuch einer „Konfliktregelung“ müssen Gewalttäter permanenter Kontrolle unterliegen. Sie sind – oft unbewußt – „süchtig“ nach dem Machtgefühl, andere zerstören zu k können.
VI
Gewaltprävention ist ein komplexes Unterfangen: es erfordert
• Sensibilität für Gewalt,
• Respekt für ALLE beteiligten Personen und
• Respektvollen Umgang,
• Eine extrem starke Frustrationstoleranz und Holding Function,
• Eine spezifische Interventionstechnik,
• Unterstützung durch das gesamte Netzwerk der beteiligten Personen (bis z. B. zum Trafikanten!) UND
• klar deklarierte PERMANENTE SOZIALE KONTROLLE!
Aus diesen Gründen ist es notwendig, das Unterrichts-, Familien-, Frauen-, Gesundheits-, Innen-, Justiz- und Sozialministerium mit dem Wissenschaftsministerium zusammenarbeiten: es nützt nichts, wenn im Unterricht, in den Familien- und Frauenberatungseinrichtungen, in den Spitälern Gewalt pädagogisch und therapeutisch korrekt (dem Opfer wie dem Täter adäquat) behandelt wird, Juristen im Innen- wie im Justizressort aber Gewalt ohne strafrechtliche Qualifikation als harmlos betrachten. Auch wenn dies als Berufsdeformation erklärt werden kann, entbindet es nicht, eben gerade dagegen wirksam zu werden – z. B.
• durch universitäre Problematisierung,
• durch permanente Fortbildung,
• durch Supervision.
Gewalt, ihre historischen Wurzeln und der zeitgemäße Umgang mit ihr, gehört in allen sozialwissenschaftlichen Fächern an den Universitäten thematisiert – nicht nur „erforscht“.
Gewaltfreiheit muß Staatsprinzip werden – was nicht heißt, sich alles gefallen zu lassen, ganz im Gegenteil.
Es heißt, ausdrücklich gegen Gewalt zu protestieren und im Zusammenwirken der demokratischen Mehrheit zu ächten – beispielsweise durch einen Artikel in der Verfassung. Erst wenn diese Geisteshaltung auch die sprachliche Gewalt der Juristen, der Lehrer und die umfassende der Eltern unmöglich gemacht hat, kann Gewalt – vom Fehlurteil, von der Fehlhaltung in Schule und Elternhaus – zur seltenen Entgleisung mutieren.
1.2.
Die „Entdeckung“ des Konzepts
Als ich im Zuge eines der von mir konzipierten und bundesweit durchgeführten Seminare „Wahrheitsfindung nach Vergewaltigung“ für Kriminalbeamt/innen der Bundespolizeidirektionen der Landeshauptstädte bzw. Landesgendarmeriekommandos von 4. – 5. November 1997 in Graz weilte, erzählte ich Mag. Kalcher von der Bundespolizeidirektion Graz von diesem Konzept und meiner Überzeugung, man müsse möglichst ALLE Menschen mit Wissen und Anleitung versorgen, wie man Gewalt bereits im ersten Entstehen enttarnen und unnötig werden lassen könne. Er meinte darauf, das könnte wohl den Interessen der damaligen Soziallandesrätin Dr. Anna Rieder entgegenkommen, der Gewaltprävention ein echtes Anliegen sei, und er werde eine Kontaktnahme mit mir veranlassen.
Diese Kontaktnahme erfolgte offenbar bald darauf, denn am 10. Dezember 1997 rief mich eine Frau Eisel (?) von der Fachabteilung für das Sozialwesen an und vereinbarte mit mir ein Vorstellungsgespräch für den 13. Jänner 1998 zwecks Information und Präsentation meines Konzepts. Dieses fand dann auch zum verabredeten Zeitpunkt statt, sodaß ich Gelegenheit hatte, mein Konzept gegenüber Frau Mag. Buchacher und Frau Dr. Ofner sowie dem Pressereferenten der Frau Landesrätin zu präsentieren und zu kommentieren.
Da ich vermutete, dass man mich hinsichtlich der von mir im Konzept vorgeschlagenen „Werbemittel“ Tonträger bzw. Video nach den Produktionskosten fragen könnte und mein Ehemann – ehemals Redakteur des Pressedienstes der Stadt Wien und in dieser Funktion für die Konzeption und Produktion von Multimediaprojekten und Filmen verantwortlich –, der mich bei diesem Termin begleitete, keine aktuellen Zahlen nennen konnte, rief ich auf der Fahrt nach Graz den PR – Berater und Chef der Firma „Communica“, Wolf – Dieter Hugelmann an, von dem ich wußte, dass er etliche ähnliche Produkte für die Stadt Wien (z. B. die Schallplatte „In Strauss und Bogen“ zu einem Johann Strauss- Jubiläum oder Jugendaktionen für die Erste Österreichische Sparkasse) und andere Großfirmen entwickelt hatte, um ihn um diese Auskünfte zu ersuchen.
Hugelmann zeigte sich an meinem Konzept hochinteressiert. Als er erkannte, dass ich nur Interesse hatte, dass meine Idee realisiert werde, und ich daher lediglich mein Konzept samt den zur Verwirklichung nötigen Einschulungen („Train the Trainer“) zum Erwerb bzw. zur Buchung anbieten wollte, stellte mir die Frage, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er begleitende Öffentlichkeitsarbeit anbieten würde. Dies verneinte ich: da ich weder die Zeit noch die Motivation und auch nicht die Qualifikation für derartige Dienstleistungen besaß, war mir egal, ob er unabhängig von meinem Konzept seine Dienste „verkaufen“ könnte.
1.3.
Meine Vorschläge zur Realisation des von mir vorgelegten Konzepts:
Bei der Präsentation in den Amtsräumen der Abteilung für das Sozialwesen skizzierte ich die pädagogische Konzeption nur vage – siehe das oben angeführte Konzeptpapier die psychologisch-pädagogischen Grundprinzipien meiner Überlegungen, hingegen ausführlich, wie ich mir eine Realisation mit geringstmöglichem Kostenaufwand vorstellte:
Meine Vorschläge gingen dahin, dass man zur Schaffung eines ausstrahlenden und anziehenden „Feldes“ mindestens drei „Säulen“ brauche, die einen Raum umgrenzten, innerhalb dessen sich ein „Kraftfeld“ abzeichnen könne. Konkret benannte ich in Frage kommende Institutionen, die sich dadurch auszeichneten, dass sie
• regional weit gestreut und faktisch „überall“ präsent seien,
• hohes soziales Ansehen genießen,
• über eine Vielzahl von Mitarbeitern verfügen,
• eigene Kommunikationsnetze verwalten und
• auf ein eigenes Fortbildung zugreifen können.
Ich führte an:
• das „System Schule“ mit dem traditionellen Schulbetrieb, der gesamten Lehrerschaft inklusive Lehreraus- und -fortbildung, den Elternvereinen, der außerschulischen Jugendarbeit; diesem System zählte ich auch die Erwachsenenbildung zu.
• Das „System Exekutive“ mit Polizei und Gendarmerie mit ihren spezifischen Ausbildungs- und Fortbildungsseminaren und ihren Aktivitäten z. B. in der Sicherheitsberatung des Kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes und den Gastauftritten im Unterricht zur Verbrechensvorbeugung.
• Das „System Kirche“ mit ihren Beratungsstellen, aber auch der traditionellen Bildungs-, Sozial- und Gemeindearbeit.
• Weiters kämen die Systeme der innerbetrieblichen wie überbetrieblichen Gewerkschaftsarbeit in Frage, die Kammern und Berufsorganisationen der freien Berufe – insbesondere des Gesundheits- und Rechtswesens – und selbstverständlich auch
• die politischen Parteien.
Ich erklärte, dass ich die ersten drei Systeme als die bestgeeigneten hielte, weil sie
• traditionell immer wieder mit der Aufgabe des „Friedensstiftens“ betraut seien,
• ihr Engagement in Sachen „Gewaltminimierung“ daher glaubwürdig sei,
• sie auch die ersten Ansprechpartner wären, wenn Konflikte eskalierten, und
• jeder Mensch irgendeinmal mit ihnen in – zumindest visuellen – Kontakt kommt.
Ich zeichnete daher ein Dreieck mit der Schule an der oberen Spitze, der Exekutive links unten und der Kirche rechts unten. An den Schenkeln des Dreiecks ordnete ich zusätzlich „verwandte“ Institutionen und Organisationen an. Oberhalb der Spitze schrieb ich: Initiator/in“.
Ich zeigte damit an , dass eine „einigende“, möglichst „übergeordnete“ Person – beispielsweise die Soziallandesrätin oder eine andere Person des öffentlichen Lebens mit hoher sozialer Akzeptanz – drei Institutionen ihrer Wahl vernetzen müßte, sodaß diese drei einander zuarbeiten, unterstützen und ihre Arbeit mittels regelmäßiger Berichtstreffen einer Erfolgskontrolle unterziehen könnten.
Wäre es nur eine Institution, würde diese der Zuarbeit und Unterstützung ermangeln und wäre wohl bald als „Exote“ isoliert; zwei würden zwar ein „Paar“ bilden, aber durch ihre sichtbare „koalitionäre“ Nähe eher Neid und Eifersucht auslösen und könnten auch kein „Feld“ umgrenzen. Erst bei drei könne der „Reviereffekt“ ausgelöst werden und dieses Revier sollte durch viele Neuzugänge stetig erweitert werden.
Drei Institutionen bzw. ihre Repräsentanten bringen die für den Start solch eines Vorhabens nötige „Spannung“ auf – bei vier Institutionen wäre eher untätige Harmonie zu erwarten, berichtete ich aus meiner über zehnjährigen Erfahrung mit Gemeinwesenarbeitsprojekten im Rahmen des Vereins Jugendzentren der Stadt Wien (einem von der Stadtverwaltung subventionierten Unternehmen, das in der Zeit, als ich dort Haus- und Projektleiterin war – 1977 – 1986 – mehr als zwanzig Zentren verwaltete und eine Fülle sozialpädagogischer Projekte realisierte.
So war damals
• die türkische Soziologin Mag. Jaklin Freigang für alle Integrationsprojekte im Verein zuständig,
• der Sozialtherapeut Max Koch für die Berufsfindungsarbeit von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß,
• ich für Partnerschafts- und Familienprobleme, gestaltete darüber hinaus aber auch Projekte zu den Problembereichen Sekten, Sucht und Sexualität, und
• der Diplomsozialarbeiter Manfred Srb baute die Behindertenarbeit des Vereins auf.
• Die pädagogische Leitung all dieser später nie wieder in dieser Qualität wie damals realisierten Projekte lag in den Händen von Dr. Manfred Pawlik, von seiner universitären Ausbildung her Soziologe, Psychologe, Pädagoge und Philosoph, der in Fachkreisen vor allem durch seine Mitarbeit an etlichen Gewalt-Untersuchungen von Erwin Ringel und seine Fachpublizistik [M. Pawlik, „Kinder allein erziehen“ 1992, Erträumte Kindheit – Wege zu einer gewaltfreien Erziehung“ 1993, „Der geliebte Sohn“ 1993, alle Verlag Jugend & Volk Wien] bekannt wurde.
Meine Vorstellung ging in die Richtung, dass durch ein sukzessives „Schneeballsystem“ zur Verbreitung des Präventionsmodells zuletzt in jedem Ort wenigstens ein/e ausgebildete/r Impulsgeber/in vorhanden wäre, der/die für regelmäßige Informations- und Reflexions-Treffen sorgen könnte, in dem aktuelle Problemlagen diskutiert und Lösungen erarbeitet werden könnten.
1.4.
Meine antizipierten Bedenken
Auf die Nachfrage, mit welchen Schwierigkeiten zu rechnen sei, äußerte ich als Bedenken meine Vermutung, dass das sich diejenige Kolleg/innenschaft, die die mühselige erste Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit „wider die Gewalt“ in Kinderschutzzentren oder Frauenberatungseinrichtungen durchgeführt hatten, konkurrenziert bzw. zu wenig wertgeschätzt fühlen könnten und daher mit deren Opposition zu rechnen sei.
Diese Vermutung gründete sich auf meine Erfahrungen mit dem unter anderen von mir mitbegründeten und präsidierten Verein Promethea (Verein für sexuell mißbrauchte und vergewaltigte Frauen, 19** – 1998) in Wien, der vom autonomen Notruf für vergewaltigte Frauen heftig bekämpft worden war, obwohl er sich ausschließlich der psychotherapeutischen Nachbetreuung von erwachsenen Opfern sexueller Straftaten sowie sexueller Belästigung am Arbeitsplatz mit kreativen Methoden widmete – also einem Teilbereich, der zumindest damals nicht von den Notruffrauen abgedeckt wurde – ob es heute ein vergleichbares Angebot gibt, weiß ich nicht).
Eine der beiden Geschäftsführerinnen dieses Vereines, Mag. Gabriele Mörth [Gabriele Mörth, „Schrei nach innen – Vergewaltigung und das Leben danach“, Picus Verlag Wien 1994], erarbeitete 1996 / 97 über Ersuchen der Frauenbeauftragten der Stadt Wien das Konzept für den 24 – Stunden – Notruf für vergewaltigte Frauen der Stadt Wien und war auch als Leiterin vorgesehen. Durch die zum Teil völlig unqualifizierten Aktionen – Demonstrationen vor dem Büro der Frauenbeauftragten (die sich dann als von der Kommunistischen Partei angemeldet herausstellten), diskriminierende Flugblätter mit Kunstnamen im Impressum sowie verleumderischen Wortmeldungen bei Publikumsveranstaltungen wurden die Repräsentantinnen von Promethea derartig attackiert und sogar teilweise verleumdet, dass sie ihr – ehrenamtliches – Engagement im Verein Promethea aus psychohygienischen Gründen einstellen und folglich den Verein liquidieren mußten – man könnte sagen: eine Art sozialer Mord.
Ich gab aber meiner Hoffnung Ausdruck, dass es diesmal – beim Thema „Gewalt“ – nicht zu derartigen „Parallelprozessen“ [Mit „Parallelprozeß“ bezeichne ich das Phänomen, dass sich in der pädagogischen oder gezielt beziehungsdynamischen Sozialarbeit genau das, womit man sich als Thema auseinander setzt, gleichzeitig in der Beziehung der Arbeitenden widerspiegelt.] – Gewalt unter den Zusammenarbeitenden – kommen würde.
Als Gewaltforscherin war ich mir zu diesem Zeitpunkt bereits klar darüber, das ein wesentlicher Teil meiner Arbeit an diesem Konzept darin bestehen würde, auf Parallelprozesse hinsichtlich der verschiedenen Formen von Gewalt zu achten.
Nach meiner etwa zweistündigen Präsentation verblieben wir derart, dass die Fachabteilung für das Sozialwesen mein Konzept in weiterer Folge überprüfen und nötige Ergänzungen einfordern werde – ich würde Bescheid bekommen.
1.5.
Die Vorbereitungsphase
Nach Wien zurückgekehrt, traf ich mich auf sein Ersuchen mit W. D. Hugelmann, der mir erzählte, er habe bereits mit der Soziallandesrätin – die ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht persönlich kennen gelernt hatte – gesprochen und diese „wolle“ seine „Begleitangebote“ und ich solle ihn schnellstens mit den Grundzügen meines Konzepts vertraut machen, da er schnellstens diese begleitende Maßnahmen zur Schaffung eines motivierenden Atmosphäre in der Bevölkerung schriftlich vorlegen müsse. Ich gab ihm also einen kurzen Überblick – analog meiner Präsentation am Vortag und stellte ihm anschließend auch mein Konzept (s. o.) zur Verfügung, da es mir ja egal war, was er mit seiner Firma anbieten würde, da dies mit meinem Anbot keinen ursächlichen Zusammenhang hatte und mir nur die pädagogische Arbeit wichtig war.
Noch in der selben Woche arrangierte W. D. Hugelmann ein Treffen mit einem Freund von ihm, einem Grazer PR- Mann namens Steinmann, dem er von meinem Konzept erzählt hatte und der angeblich von meinen Überlegungen begeistert wäre und m ich kennen lernen wolle. Er empfahl mir Herrn Steinmann als Unterstützung, da „wir“ ja jemand brauchen würden, der die steirischen Verhältnisse gut kenne und „uns“ Türen und Kooperationen eröffnen könnte. Offensichtlich hatte Hugelmann bereits Zusagen und wollte das Projekt vorantreiben.
Gewaltstufe 3
Druck machen
Schuldgefühle machen
Ich selbst fühlt mich einerseits etwas von ihm bedrängt da ich dazumals über wenig freie Zeit verfügte, da ich zu dieser Zeit vier Supervisionsgruppen leitete, Gastprofessorin an der Universität Klagenfurt war und im zwei Wochen- Rhythmus einmal an der Universität in Wien, die nächste Woche in Klagenfurt las und die Student/innen betreute und neben zahlreichen Vorträgen bei Veranstaltungen zum „Tag der Bäuerin“ in Niederösterreich an meinem Buch „Sexualität in Österreich“ – dem kommentierten Österreichteil der „International Encyclopedia of Sexuality“, herausgegeben in New York von Prof. Robert T. Francoeur – arbeitete. Da ich aber von ihm erfahren hatte, dass er auftragsmäßig unterbeschäftigt war, wollte ich nicht schuld sein, dass er womöglich durch meine Nachlässigkeit finanzielle Nachteil erleide.
Präventionsversuch
gegen finanzielle Gewalt
Andererseits fühlte ich mich aber durch seine Aktivität auch entlastet, da ich eigentlich erst konkret weiter arbeiten wollte, wenn die Bezahlung
• meiner Arbeitszeit – in der auch die des damals
• bei mir in Teilzeit angestellten Sohnes Robin,
• meiner PR-Betreuerin, Univ. Lekt. Ulrike Süss–Lindert, die über ihre Firma auch meine Termine koordinierte sowie meine Vortrags- und Seminarverträge abschloß,
• und die Honorare einer selbständigen Journalistin, mit der ich zu dieser Zeit vereinbart hatte, dass sie mich bei meiner publizistischen Tätigkeit – Transkripte von Vorträgen, Recherchen und vor allem der Produktion des Textes „Sexualität in Österreich“ in Deutsch und in Englisch sowie auch Französisch, der Herausgabe der Zeitschrift „SEXUS“ der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS), deren Vorsitzende ich seit 1996 bin, und der Veröffentlichung etlicher Vorträge – unterstützen solle, enthalten waren – gesichert wäre.
Mein Sohn Roman, ebenso wie sein Bruder ausgebildeter Friedenspädagoge (Internat. Versöhnungsbund), NLP – Practitioner und zusätzlich systemischer Projektberater sowie mein Ehemann waren zwar von Anfang an mit dem Projekt vertraut, nahmen aber aus damaligen Krankheitsgründen nur an den internen Besprechungen teil.
U. Süss-Lindert wurde von mir in der folgenden Woche erstmals von dem Projekt und den Ereignissen informiert, da ja alle Terminanfragen an sie weitergeleitet wurden und sie immer die Vorrangigkeiten meiner Arbeitsaufträge kennen mußte.
Die Situation war zu diesem Zeitpunkt – Jänner, Februar, März und auch April 1998 – für mich sehr inkonkret:
• W. D. Hugelmann hatte offensichtlich reichlich Zeit, in ständigem Gespräch mit der Beamtenschaft der Landesregierung zu sein und nahm mir damit diese zeitaufwendige Kommunikation ab, sodaß ich mich neben meiner laufenden Arbeit in meinem „Institut für Projektberatung, Personal Training & Supervision“ – damals war aktuell der Aufbau der Abteilung Stress am European Center for Environment, Stress and Spa Research in Baden bei Wien – und der psychotherapeutischen Praxis, dem Unterricht an der Wiener Internationalen Akademie für Ganzheitsmedizin und an den Universitäten Wien und Graz und meiner errwachsenenbildnerischen Tätigkeit der Fachpublizistik zur Gewaltprävention widmen konnte. Da er mir immer wieder versicherte, ihm wäre zugesagt worden, „wir würden diesen Auftrag bekommen“, war mir einsichtig, weswegen er vorarbeiten wollte und dazu Druck machte.
• Ich wollte aber keinerlei Verträge abschließen, ehe nicht ein schriftlicher Auftrag vorlag, mußte aber in zahlreichen Sitzungen den potenziellen Mitarbeitern immer wieder mein Konzept vortragen, W. D. Hugelmann für seine Arbeit briefen und supervidieren und die theoretischen Unterlagen erarbeiten und abliefern, die er zwecks späterer Weitergabe an Journalist/innen, Berater/innen, Pädagog/innen etc. zur grafischen Verbesserung anforderte.
• Im Hinblick auf mein Verständnis von Gewaltvermeidung leg(t)e ich besonderen Wert auf gleichberechtigte partnerschaftliche Teamarbeit: niemand sollte jemand anderem „Aufträge“ erteilen, sondern alle sollten deklarieren, welche Beiträge sie zu welchen Bedingungen ausführen wollten und sich damit selbst „binden“. Damit wollte ich einerseits „strukturelle Gewalt“ vermeiden, andererseits aber auch, dass unter Berufung auf phantasierte „mündliche Verträge“ Ansprüche gegen mich als Person erhoben würden, ehe ich finanzielle Zusagen tätigen könnte.
• Andererseits hatte ich die Vision, dass es gelingen könnte, andere Bundesländer zu motivieren, sich ebenso gegen Gewalt und für eine breite Aufklärung der Bevölkerung in Techniken zur Gewaltverminderung zu engagieren, sodaß im zweiten Halbjahr 1998, in dem Österreich den EU – Vorsitz innehaben würde, unter der Führung der Steiermark bis Jahresende 1998 ein im Ziel geeintes „Gewaltfreies Österreich“ diesen Impuls für ein im Ziel geeintes „Gewaltfreies Europa“ in die europäische Gemeinschaft weitergeben könnte.
• Es würde daher nötig sein, dass alle Mitarbeiter/innen auch dieses weiterführende Ziel im Visier behielten und alle nützlichen Kontakte einfach um der Sache willen – und nicht nur um bezahlte Arbeit zu akquirieren – an das Kern-Team weitergeben würden.
Im Jänner 1998 fanden neben meiner Erstpräsentation in Graz (und den täglichen Teambesprechungen in meinem Institut) drei Sitzungen mit W. D. Hugelmann und Kooperationspartnern / Auftragnehmern von ihm sowie zwei weitere mit möglichen Kooperationspartnern / Sponsoren von mir statt.
1.6.
Die Bildung der Arbeitsgemeinschaft
Im Zuge der Besprechungen im Jänner 1998 forcierte W. D. Hugelmann Brainstormings, um möglichst viele Impulse zur Schaffung von „Begeisterung“ für eine Haltung der Gewaltfreiheit in der Bevölkerung zu erzeugen.
Wir formierten uns daher als „ARGE Gewaltfreiheit“, vereinbarten,
• dass das Copyright meines Konzepts und meiner Ideen von allen respektiert würden,
• weiterführende Ideen – vor allem Werbeideen – der ARGE vorbehalten blieben soferne nicht die Person, die diese Idee gehabt hatte, sofort auf die Wahrung ihres Copyrights hinweisen würde,
• Leistungen aus den Berufen der teilnehmenden Personen (z. B. Grafiker) nach den branchenüblichen Sätzen verrechnet werden würden, sobald dafür ein Budget zur Verfügung stünde,
• sollte es aber zu keinem Auftrag kommen, alle nicht ausgearbeiteten und schriftlich festgehaltenen Ideen für alle Teilnehmer/innen frei verfügbar wären – man könne ohnedies nicht verhindern, dass jemand anderer wo anders die selbe oder ähnliche Ideen habe …
Der ARGE gehörten zu diesem Zeitpunkt an:
• Prof. Mag. Dr. Rotraud A. Perner (Projektkonzeption)
• Mag. Sigrid Schamall (Lektorat RAP)
• Robin N. Perner (Sekretariat RAP)
• Wolfgang Biedermann (ehemals Steirerkrone – Kontakte Graz)
• Michael Benesch (Statistik)
• Wolf-Dieter Hugelmann (Werbung und PR)
• Stefanie Herzog (Sekretariat WDH)
• Hannes Ch. Steinmann (Medienservice Graz)
• Walther Götlinger (Grafik)
Weitere Personen waren vorgesehen (z. B. für Video- bzw. CD-Produktion), aber noch nicht angesprochen bzw. eingebunden.
Es war für mich selbstverständlich, alle meine bisherigen Überlegungen offen zu legen, damit die Teilnehmer/innen an diesen Sitzungen ebenfalls weiterführende Impulse erzeugen könnten. Zu diesen Überlegungen zählte folgendes Vorhaben:
• In meinem Besitz befindet sich eine von den Wiener Kinderfreunden herausgegebene Broschüre aus der Zwischenkriegszeit, „Kinder klagen an“, in der Kinder von erlittener Gewalt berichten. Ich habe dieses schmale Bändchen sehr berührend empfunden. In meinem Besitz befindet sich andererseits ein Buch „Das hat mir geholfen“, in dem Leserbriefe zu „Hauskuren“ gegen alle möglichen Leiden gesammelt sind.
• Ich dachte, man könne vielleicht
– eine steirische Tageszeitung oder eine Rundfunkanstalt dazu gewinnen, ihre Leser/innen aufzufordern,
– Gewalterfahrungen im Sinne von „Das hat mir geschadet“ und
– Eigene Erfolge, Gewalt zu vermeiden / überwinden im Sinne von „Das ist mir gelungen“ zu veröffentlichen, und so
– Vorbilder schaffen und
– Motivieren, auf gewalttätiges Handeln zu verzichten.
• Durch solche Rückmeldungen würde man auch Adressen sammeln können, um einen Fragebogen zuzusenden, denn ich wollte auch gerne wissenschaftlich erheben, welche Gewalterfahrungen als schädigend und welche als harmlos bewertet würden.
• Würde es zu einem „gewaltfreien Österreich“ kommen, könnten dann diese Daten mit denen anderer Bundesländer – oder zumindest einem Bundesland – verglichen werden.
• In Hinblick darauf, wie ich diese wissenschaftliche Erhebung vorgesehen hatte, besprach ich mit den Fachleuten, die ich dafür engagieren wollte – vor allem den Psycholog/innen Michael Benesch und Petra Schwarz – wie ein Fragebogen konzipiert sein sollte, der
° Einstellung gegenüber Gewalt,
° eigene Gewalterfahrungen,
° seelische Reaktionen auf erlebte Gewalt,
° Copingstrategien [Mit Copingstrategien werden die Verhaltens-Modelle zur Problembewältigung bezeichnet, die ein Mensch im Laufe seines Lebens von seinen Vor-Bildern abschaut oder anderweitig erwirbt, vielleicht auch bewusst selbst erarbeitet und somit zur Verfügung hat.] gegen Gewalt und
° Wünsche und Erwartungen gegenüber einer gewalttätigen Umwelt
thematisieren sollte.
• Gleichzeitig wollte ich aber auch im Sinne einer wissenschaftlichen Begleitforschung dokumentieren, wo und von wem und in welchem Ausmaß mir im „Parallelprozeß“ Gewalt begegnen würde.
Anschließend an Benard / Schlaffer [Cheryl Benard / Edit Schlaffer / Britta Mühlbach / Gabriele Sapik, „Gewalt gegen Frauen“ Teil 1, Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie 1991] untergliedere ich Gewalt in:
– körperliche Gewalt
– sexuelle Gewalt
– finanzielle Gewalt
– sozialer Sadismus (psychische und verbale Gewalt)
– soziale Gewalt (demütigende Kontrollen, Abhängigkeiten, z. B. auf Grund von struktureller Gewalt)
Dazu beabsichtigte ich, Kooperationsbereitschaft und Kommunikationsstil zu beobachten, dokumentieren und in einer Skala von 1(unabsichtlich, gering) bis
5 (feindselig, massiv, gesundheitsschädigend) zu bewerten.
Im Februar fanden drei Sitzungen, darunter eine mit dem künftigen Grafiker, eine mit einem möglichen Kooperationspartner / Berufsverband, zwei Konzeptssitzungen für die Begleitforschung und ein Briefing für die Arbeitsgemeinschaft (mit zehn Teilnehmer/innen) statt.
1.7.
Der Antrag
Am 4. März 1998 war ich auf Tournee im Raum Salzburg, als mich ein Anruf von W. D. Hugelmann erreichte, der wieder einmal vorstellig geworden war, und der mich mit Landesrätin Dr. Rieder verband, mit der ich bislang keinerlei persönlichen Kontakt gehabt hatte und die mir verärgert schien, dass ich infolge meiner anderweitigen Arbeitsverpflichtung – ich war mitten in einem Workshop – nicht augenblicklich für sie verfügbar war.
Gewaltstufe 2
Fremdenfeindlichkeit
Das war für mich einerseits verständlich: Landesminister/innen erwarten, dass man sich ihren dicht gedrängten Terminkalendern anpaßt; dass auch andere Freiberufler/innen außer Sänger/innen oder Schauspieler/innen, die entsprechend ihrer meist vor langer Zeit abgeschlossenen Verträge öffentliche Auftritte zu absolvieren haben, dichtgedrängte Terminkalender haben, wissen viele nicht bzw. wollen es auch nicht zur Kenntnis nehmen.
Im Zuge des Projekts habe ich immer wieder erlebt, dass auf meine sonstigen Verpflichtungen (W. D. Hugelmann hatte, wie ich erst später erfuhr, keine sonstigen) von seiten des „Systems“ Landesregierung wenig Rücksicht genommen wurde – ganz im Gegenteil wurde mir sogar wörtlich gesagt: „WIR geben eine hohe Subvention – da können WIR doch erwarten, dass Sie…“ Und ich kann mich genau erinnern, dass ich auf die Zumutung, ich solle sofort vorsprechen, einmal formuliert habe: „Wien ist bekanntlich kein Vorort von Graz!“ (Mein steirischer Wohnsitz im Salzatal ist von Graz übrigens exakt genau so viele km entfernt wie Wien!) Den Satz „You can pay me, but you can’t buy me!“ kannte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sonst hätte ich ihn bereits damals zitiert.
Von diesem Datum an zeigte sich nämlich das Vorhaben als gesichert und ging es nun darum, die für die Beantragung der Subvention des Vorhabens nötigen Formulare auszufüllen bzw. die zugrundeliegende Kalkulation vorzulegen.
Seit Ende Februar 1998 hatte W. D. Hugelmann
• neben seiner Kreativ-Arbeit (die teilweise umfangreich in schriftlicher Form vorliegt)
• sowie der Korrespondenz mit einerseits dem Büro der Landesrätin, andererseits der Fachabteilung für das Sozialwesen (die ebenfalls so weit mir zugegangen als Faxe vorliegen)
• mehrere Berechnungen für das Projekt angestellt. Entsprechend unserer Absprache, dass er – der genügend freie Kapazität für das Projekt zu besitzen angab – mich von allem, was nicht inhaltlich – pädagogische Arbeit wäre, entlasten werde, lag der Schwerpunkt der finanziellen Aufwendungen bei ihm bzw. bei den von ihm zu gestaltenden Produktionen (Video, CD).
Der letztlich in zwei Variationen ( II) minimale (!) – I) erweiterte Fassung) eingereichte Finanzplan liegt der Fachabteilung für das Sozialwesen vor.
1.8.
Mein Kommentar zu der Kalkulation
1.
Wissenschaftliche Leitung:
darunter verstand ich:
• Information / Einschulung der Mitarbeiterschaft über Inhalt und Methodik meines Konzepts,
• teilnehmende Begleitforschung, um offene oder geheime Gewalttätigkeiten im Rahmen der Projektarbeit zu entdecken und methodisch zu bearbeiten,
• Dokumentation und Erstellung von Berichte,
• die ständigen Kontakte mit allen Mitarbeiter/innen,
• Betreuung und Supervision der Mitarbeiter/innen,
• Medienkontakte zwecks medialer Unterstützung des Projekts bzw. für die geplante Erhebung eines „individuellen Gewaltprofils“
2.
Gesamtorganisation: betraf die Sekretariatsarbeit von Hugelmann / Herzog
3.
Öffentlichkeitsarbeit und Bewerbung: betraf die Arbeit von Hugelmann und seiner Subunternehmer (z. B. Steinmann in Graz) auch hinsichtlich der Video- bzw. CD – Präsentationen etc.
4.
Corporate Design, Druckkosten etc. für PR: betraf die Arbeit von Hugelmann für die nötigen Druckunterlagen, die so verfaßt werden sollten, dass sie möglichst für alle Veranstaltungen verwendbar sein sollten
5.
Die Video- Produktion war von Hugelmann so konzipiert, dass er an die verschiedenen Fachleute Aufträge geben und alles koordinieren würde,
6.
Ebenso war die CD – Produktion geplant.
7.
Profi – Hotline: hier sollte eine geschulte Kraft
primär denjenigen, die Kontakt zur Aktion „Gewaltfreie Steiermark“ suchten, um sich anzuschließen, Veranstaltungen nachzufragen oder zu initiieren,
Medienleuten, die Unterlagen bräuchten, aber auch
Ratsuchenden als erste Ansprechperson zur Verfügung stehen,
und damit die anderen Mitarbeiter entlasten.
8.
Eine Web-Site war mein Wunsch, wurde aber von Hugelmann nicht kalkuliert (ich vermute, weil er sich dafür nicht kompetent fühlte); meine Ansprechperson dafür war Wolfgang Biedermann, doch hoffte ich, dass sich im Zuge der Aktion ein/e Freiwillige/r finden könnte, der/die hier Hobby mit Nützlichkeit verbinden würde.
9.
Bewerbung: hier hielt sich Hugelmann die Option offen, bei Bedarf für eine allfällige Großveranstaltung Plakate drucken zu können.
10.
Begleitforschung: damit gedachte ich die Psychologen zu bezahlen, die mittels zu erstellendem Fragebogen bzw. medialem Aufruf einlangende Daten statistisch auswerten sollten.
11.
Sonstige Werbemittel gedachte Hugelmann über Sponsoring zu finanzieren (wie er es in der Vergangenheit des öfteren verwirklicht hatte).
Die einzelnen Ansätze (2, 3, 4, 5, 6, 7 und 9) habe er nach Einholung verschiedener Angebote kostengünstigst erstellt, erklärte mir W. D. Hugelmann, und könne durch seine persönliche Bekanntschaften garantieren, dass sie eingehalten würden.
So wurde beispielsweise das Anbot 7 auch mir per Fax zur Kenntnis gebracht.
1.9.
Die Gründung der Plattform
Während in der ARGE verschiedene Slogans, optische Sujets für ein Logo und Zeitpläne für das, was Hugelmann „Begleitmusik“ nannte – die Motivation breiter Bevölkerungskreise für gewaltverzichtendes Handeln -, waren im Büro der Landesrätin die künftigen Mitglieder der „Plattform“ – der Säulen“, die die Aktion tragen sollten – kontaktiert und zur Mitarbeit eingeladen worden.
Damit all diese die gleiche Information bekämen, lud Landesrätin Dr. Anna Rieder für 14. April 1998 zu einer Präsentation ins Landhaus ein, bei dem nebst einem Kurzreferat von Gastprof. Dr. Rotraud A. Perner eine schriftliche Unterlage von W. D. Hugelmann vorgestellt wurde, welche enthielt:
Seite 1: Das Konzept
Seite 8: Anhang: was passiert
Seite 9: Das Vier –Ohren – Modell (als Beispiel, wie durch Sprache Gewalt gestoppt werden kann)
Seite 10: Auszug aus R. A. Perner, „Die Tao- Frau“
Seite 11: Auszug aus R. A. Perner, „Madonna UND Hure“
Seite 12: Die geplante Begleitmusik / PR und Werbung
Seite 13: Der geplante Ablauf
Seite 15: Ideen für weitere Aktionen wider die Gewalt
Seite 16: Logo – Variationen als Beiträge zur Diskussion
Waren bei dieser Sitzung primär die Vertreter/innen der angesprochenen „Säulen“ sowie besonders gegen Gewalt engagierte Personen und Beauftragte der im Landtag vertretenen Parteien anwesend, erweiterte sich die „Plattform“ im Laufe des Aktionszeitraums in der weiteren Folge auf 37 Personen bzw. Institutionen, denen regelmäßig Bericht erstattet wurde (s. Newsletter) und die teilweise sehr, teilweise gar nicht aktiv an der Projektarbeit teilnahmen.
Plattform-Mitglieder
(alphabetisch gereiht)
Dr. Horst Brade / Präs. d. OLG Graz
LAbg. Waltraud Dietrich / FPÖ – Landtagsklub
Mag. Barbara Enzinger / max.mobil
Mag. Annemarie Feichtenberger / AIS – Jugendservice
Mag. Hans Fraeulin / Steirische Grüne
Walburga Fröhlich / Leiterin d. Beratungsz. Kalsdorf
Superintendent Prof. Mag. Ernst-Christian Gerhold / Evang. Superintendentur Stmk
Dr. Ursula Grohs / Kinder- u. Jugendtherapiezentrum
Univ. Prof. Dr. Max Haller / Inst. F. Soziologie
Ulrike Hansi / VIDEF – Verein f. interdisz. Entw. Förd.
Dr. Manfred Herbst / Berufsfindungszentrum Stmk
Barbara Hiden / SPÖ-Landtagsklub
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Hölzer / Präs. d. ARGE f. Sozialforschung u. Sozialplanung Stmk
Margit Keshmiri / Liberales Forum Stmk
Dr. Franz Krispel / Präs. d. Landeskammer d. Tierärzte
Dr. Doris Krottmayer / Ärztin, Beratungszentrum Kalsdorf
Mag. Rosemarie Kurz / GEFAS Stmk
Angelika Langmann / Kinderland Stmk
Alice Lenzberg / Patientenanwaltschaft LNKH
Dr. Johannes Lienhart / Diözese Graz – Seckau
Pfarrer Mag. Franz Lissyi-Honegger / Fachinspektor d. Evang. Sup. Int.
Landeskammerrat Grete Pirchegger / Bäuerinnenorg. d. Landwirtsch. K.
LAbg. Dir. Hermine Pusswald / ÖVP-Landtagsklub
Landesleiterin Mag. Manuela Reimann / ÖBM (Öst. B.Verb.d.MediatorInnen)
Landesrätin Dr. Anna Rieder / Sozial-, Kindergarten- u. Schulref. LR.
Dr. Wolfgang Routil / Präs. d. Ärztekammer
Hofrat Mag. Arnulf Schauschütz / Dir. D. BPolDion Leoben
Brigadier Horst Scheifinger / Landesgendarmeriekommandant
Oberst Gerhard Schreiner / Landesgend.K./ Ausbildungsref.
Dr. Peter Semlitsch / OLG Graz
Dr. Elisabeth Simma / Vizepräs. RA – Kammer
Peter Sponer / Kinderfreunde Stmk
Dir. Mag. Hans Stadler / Präs. Landesschulrat Stmk
NRAbg. Ridi Steibl / Leiterin d. Ref. Frau, Fam., Ges. LR
Hofrat Dr. Franz Stingl / Dir. D. BPolDion Graz
Bischof Johann Weber / Diözese Graz – Seckau
LAbg. Mag. Edith Zitz / Klubobfrau der Steirischen Grünen
1.10.
Der Auftrag
Mit Datum vom 28. 4. 1998 erging an mich ein Schreiben, die Steiermärkische Landesregierung habe in ihrer Sitzung am 27. 4. 1998 über Antrag von Frau Landesrätin Dr. Anna Rieder beschlossen, „mein“ Projekt „Gewaltfreie Steiermark“ mit max. S 3 Mio. zu fördern.
Weiters hieß es in diesem Schreiben:
„Die von Ihnen laut Konzept zu erbringende wissenschaftliche Leitung und organisatorische Betreuung soll insbesondere enthalten
• die Errichtung eines Sekretariates zur Abwicklung der Korrespondenz und als Ansprechpartner
• die ständige Kontaktnahme mit allen Vertretern der Plattform zur Festlegung der Umsetzungsschritte in den einzelnen Bereichen
• die Darstellung der Fortbildungsveranstaltungen zum Thema
• die Herstellung der Unterlagen für diese Fortbildungsveranstaltungen
• die persönliche Teilnahme an diversen Veranstaltungen zum Thema; mindestens 3 x pro Monat
• die Koordinierung der Medienarbeit einschließlich der aufgezeigten „Begleitmusik“
• Zwischenberichte über den Fortgang des Projekts jeweils nach 4 Monaten
• Den Endbericht nach 12 Monaten; dieser sollte auch eine Erfolgsbilanz enthalten.“
Gewaltstufe 1
Strukturelle Gewalt
Einseitig oktroyierter Auftrag
Dieser Auftrag löste bei mir Bestürzung aus:
1. Die Formulierung „… hat beschlossen, Ihr Projekt …“ weist klar aus, dass die Landesrätin das Projekt nicht als „ihres“ annimmt und damit verantwortet, sondern
2. eine übergeordnete Position der Staatsgewalt einzunehmen gedenkt, von der aus sie ablehnen kann, Verantwortung mitzutragen, sondern je nach Wohlwollen oder Mißfallen agieren kann – ein klarer Fall von struktureller Gewalt.
Im Widerspruch dazu legte die Landesrätin in der Folge aber ausdrücklich Wert darauf, dass bei allen offiziellen Aussendungen der Passus „Eine Initiative von Landesrätin Dr. Anna Rieder“ angeführt sein müsse.
3. Da in meinem Konzept („Konzept für das multimediale Projekt Gewaltprävention – „Gewaltfreie Steiermark“ – Eine Plattform stellt sich vor“) keine organisatorische Betreuung vorgesehen war, wurde ich durch dieses Oktroy abhängig von W. D. Hugelmann, da in meiner psychotherapeutischen Praxis weder die Korrespondenz noch die Kommunikation und schon gar keine „ständige“ Kontaktnahme mit „allen“ Vertretern der Plattform möglich gewesen wäre.
In meiner Verzweiflung rief ich sofort Dr.Ofner an, um deshalb um Aufklärung zu bitten und gab zu bedenken, dass ich doch nicht Aufgaben von W. D. Hugelmann übernehmen könne und ja auch keinerlei Sanktionsmöglichkeit gegenüber W. D. Hugelmann hätte und so etwas auch keinesfalls vertraglich vereinbaren wollte, da dies ja meiner Sicht von Gewaltfreiheit widerspräche. Dr. Ofner beruhigte mich, indem sie mir versicherte, es ginge nur darum, dass die Auftraggeberin nur eine Ansprechperson haben wolle und ich im Wahlfall die Person wäre, die besser den bürokratischen Erfordernissen entspräche.
4. Besonders verwirrt hatte mich aber die Vorschreibung, was alles ich für die von mir für die von mir geplante wissenschaftliche Begleitung leisten sollte: das war mehr als finanzielle Ausbeutung, das war finanzielle Gewalt!
Ich hatte ausgehend von dem Verdienstentgang, den ich erleiden würde, wenn ich eine Fraustunde bzw. einen Frautag für die steirische Landesregierung arbeiten würde, dreißig Stunden pro Monat (d. i. ein Tag pro Woche) für das Projekt reserviert und kalkuliert, die ich für
• Betreuung / Supervision der Mitarbeiterschaft und deren Arbeit,
• Erstellung der Unterlagen,
• Dokumentation und Berichte
• und allfällige Medienkontakte
zu verwenden gedacht hatte.
Meine damalige Zeiteinteilung war gedacht:
• Montag Universität (samt allen Vor- und Nachbereitungsarbeiten, Betreuung der Student/innen, die An- und Abreise nach Klagenfurt nicht zu vergessen)
• ein Tag Besprechungen (inklusive Beratungen und Psychotherapien) in der Praxis,
• ein Tag für das ECESSR in Baden, die Betreuung der Lehrgänge in der Akademie für Ganzheitsmedizin (GaMed) bzw. sonstige Verwaltungsarbeiten –
• die restlichen Tage frei (um in die Steiermark in mein Haus fahren zu können, in dem ich meine Bibliothek und meine Ablage habe) –
• bzw. nach unvorhergesehenem Arbeitsanfall, da ich ja an den meisten Wochenenden Seminare abhalte (oder besuche).
Ich war davon ausgegangen, dass ich maximal einmal ein „Train the Trainer“ veranstalten würde und diese dann jeweils in ihrem Bereich multiplizieren und mir zurück berichten würden.
„Mindestens 3 x pro Monat“ für Veranstaltungen zur Verfügung stehen zu sollen – was ich weder angeboten noch vereinbart hatte! – , bedeutete, dass ich all diese Arbeit würde ohne Bezahlung leisten müssen, da die von mir pro Monat veranschlagten ATS 30.000,- genau drei Mal meinem damaligen gerade noch praxiskostendeckenden Fixsatz von ATS 10.000,- für einen Vortrag (ohne Mehrwertsteuer, ohne Spesen) entsprachen!
Dass mein damaliger Mindest-Tagsatz von ATS 10.000,- netto gegenüber Auftraggebern mit beschränkten Budgets bei meiner 50%igen Einkommenssteuerbelastung (und Angestellten, Subhonorarempfänger/innen sowie ausgelagerter Terminkoordination und Buchhaltung) tatsächlich besonderes Entgegenkommen bedeutet, kann wohl jeder verstehen, der weiß, welche Größenordnungen an Honoraren üblich sind – bei Kolleg/innen, die in keiner Weise meine Qualifikation und Erfahrung (Volljuristin, Ex-Politikerin, mehrfach ausgebildete Psychotherapeutin, diplomierte Erwachsenenbildnerin, Nationalökonomin, NPO – Führungskraft, Medienarbeiterin, Feld-Supervisorin, strategischer Coach, Konfliktmanagerin, Gerichtssachverständige) besitzen.
Nach genauer Überlegung entschloss mich aber,
• der im Auftrag formulierten Möglichkeit, dass mich Interessent/innen in den steirischen Gemeinden im Rahmen des Projektes für sie kostenlos anfordern könnten = Feldarbeit,
• zu Lasten der geplanten Forschung und ausführlichen Dokumentation = Schreibtischarbeit
den Vorzug zu geben.
Nachdem der Auftrag, das eingereichte Konzept im Zeitraum eines Jahres durchzuführen am 27. 4. 1998 im Rahmen der Landesregierung erteilt und die erste Tranche der Subvention überwiesen worden war, somit die Vorarbeiten abgegolten werden konnten, wurden die bisherigen Arbeiten mit Beginn Mai fortgesetzt:
• W. D. Hugelmann
bereitete die Pressekonferenz zur Präsentation der Plattform und Aufforderung der Bevölkerung, sich an dem Projekt zu beteiligen, vor,
begann mit den Vorbereitungen der Video- und CD – Produktion
konzipierte Werbemittel und bereitete deren Produktion vor (vor allem die Multiplikation des Logos z. B. auf unüblichen Werbeträgern wie Backwaren) und führte unzählige Gespräche mit möglichen Sponsoren.
• Ich begann mit der
Arbeit an dem Begleitbuch, das den Multiplikatoren Hilfestellung zur Gestaltung von Seminaren, Workshops und anderen Bildungsveranstaltungen bieten sollte,
erstellte Skripts für derartige Modellveranstaltungen
und kontaktierte mögliche Träger von Bildungsveranstaltungen. Dabei zeigte sich bereits, dass besonders das Katholische Bildungswerk bereit war, das Projekt zu unterstützen.
1. 11.
Die Pressekonferenz
Am 7. Mai 1998 präsentierte Landesrätin Dr. Anna Rieder im Rahmen eines Pressegesprächs im Grazer Presseklub die Aktion „Gewaltfreie Steiermark“
• mit einem „Aufruf an alle: Frieden GEBEN“
Wenn alle Frieden geben, ist die Schlacht gewonnen, ehe sie begonnen hat.
Gewaltprävention ist daher das Ziel der von Landesrätin Dr. Anna Rieder und Dr. Rotraud A. Perner, der prominenten Psychotherapeutin, Autorin und Trainerin, gegründeten Plattform „Gewaltfreie Steiermark“.
Dabei wird nicht mit plakativer Oberflächlichkeit, sondern mit wissenschaftlicher Konsequenz vorgegangen. Vorerst sind alle relevanten Institutionen des Landes aufgerufen, sich dieser wichtigen Ganzjahresaktion anzuschließen. Viele haben es schon getan.
Das „entwaffnende Lächeln“ des Aktionslogos, das mit dem einladenden Motto „Ich gebe Frieden“ versehen wird, soll sich im Laufe der Zeit über die gesamte Steiermark ausbreiten. Denn: Wenn es gelingt, unser aller Bewußtsein zu erweitern, kann die Aktion erfolgreich sein.
Jeder Mensch, ob Mann, Frau oder Kind kann lernen mit Aggressionen umzugehen, angemessen auf sie zu reagieren und sie zu beherrschen.
„Ich möchte Mut machen, sich der Riesenaufgabe der Gewaltprävention zu stellen. Man muß einfach konkret anfangen“, ist Rotraud A. Perner überzeugt: „Wenn wir alle zusammenwirken, ist Gewaltprävention möglich.“ (Text: W. D. Hugelmann)
• sowie einem Grundsatztext
„Wenn jeder Frieden gibt, werden alle Frieden geben!“
oder:
„Das Ziel ist die Überwindung des Stammhirndenkens“
Wir sind sensibel geworden gegen Gewalt.
Gegen Gewalt in der Familie, gegen Gewalt in den Medien.
Gegen Kinder, gegen Frauen.
Wir beginnen zu erkennen, daß gewisse Menschen besonders gewaltgefährdet sind: wer sich nicht so gut wehren kann – Alte, Kranke, Kleine, Schwächere.
Wir tun auch etwas gegen Gewalt: wir ächten sie. Manche. Nicht alle. Wir rufen nach Polizei und Strafrichterschaft. Wir holen Unterstützung. Beratung etwa. Wir fordern Zivilcourage. Dennoch fehlen Modelle der Gewaltprävention.
• Wenn wir uns erregen, überfluten Stammhirnimpulse die Schranken der innerseelischen „Zensur“ – falls solch eine überhaupt anerzogen wurde – und lassen uns zum Tier „regredieren“ (= in der Entwicklung zurückfallen). Wenn wir diese archaische Verhaltensweise schon als Kinder an unseren Bezugspersonen erleben, verankern sie sich tief in unserem Verhaltensrepertoire: wenn die, die ich liebe, das so tun, gehört es sich offensichtlich so. Wenn wir dieselben Verhaltensmuster tagtäglich im Fernsehen sehen, verstärkt sich dieser „Eindruck“. In der Sprache der Ganzheitsmedizin sprechen wir dann von „Engrammen“ – Erinnerungsspuren im Gehirn, im Bindegewebe, eigentlich in jeder Zelle.
Wenn wir dann noch erleben, daß derartige Gewaltakte noch Schulterklopfen und – angstabwehrende – Bewunderung ernten, werden wir nachahmen, gar nicht bewußt, sondern so, wie es der Film im Gehirn (und der am Fernsehbildschirm) zeigt. Warum sich ändern, wenn es doch normal ist?
• In Krisensituationen „überlappt das Stammhirndenken das Großhirndenken“. Wir fühlen uns bedroht – nicht respektiert, klein gemacht, ohnmächtig – und glauben, wenn wir uns empören, aufblasen und mächtig zeigen, unser leibseelischgeistiges Gleichgewicht wiederzufinden.
Und wir glauben, wenn wir kämpfen und den anderen beseitigen – ausgrenzen, wegsperren, umbringen – das Grundproblem lösen zu können: daß wir alle zu Gewalthandlungen neigen, wenn unser Selbstwertgefühl zusammenbricht. Böse sind immer nur die anderen, selbst die Täter behaupten, die Opfer hätten sie böse „gemacht“. Wer lauter schreit, behält recht – auch eine Form von Gewalt: andere mundtot machen.
Das Sprachvermögen „Wohnt“ im Großhirn. Das Stammhirn kennt nur Kämpfen, Flüchten, Totstellen. Dazu genügen Kampflaute oder Wehklagen. Sieger sein oder unterliegen. Mehr ist auch nicht drin… denn wenn uns Gefühle überfluten, sind wir für alternatives Verhalten „blind“ – blind vor Wut, blind vor Zorn. Aber auch blind verliebt. Deswegen sind Vor-Bilder so wichtig: damit wir sie nicht selbst entwickeln müssen, wenn keine Zeit bleibt. Damit wir sie bereits eintrainiert haben, wenn der Zeitpunkt der Gedankenlosigkeit eintritt.
• Wenn wir also den Mund sprechen lassen wollen anstelle der Fäuste, brauchen wir ein Modell.
Oder anders gesagt: wenn Chaos, beispielsweise Gefühlschaos, zu groß wird und alle eintrainierten Verhaltensweisen gedanklich entweichen, brauchen wir Struktur – Halt im Doppelsinn des Wortes.
Wer kennt nicht die Situation, wo uns nachher all die passenden Worte einfallen? Wo wir nur stammeln konnten oder überhaupt verstummten?
• Wir haben immer mehrere Möglichkeiten, wie wir reagieren können – aber fallen sie uns auch ein?
Sie fallen uns ein – wenn wir uns so viel Zeit lassen, daß sie uns einfallen können. Dazu müssen wir nur auf das „Pingpong-Spiel“ der Widerworte verzichten und uns in den Zustand versetzen, daß wir wieder vernünftig denken können.
Das kann man lernen. Zusätzlich brauchen wir ein Modell, wie wir gewaltfrei Konflikte bearbeiten können. Dieses Modell gibt es auch. Allerdings ist es weitgehend unbekannt. In der Kommunikationswissenschaft heißt es populär “Das Vier-Ohren-Modell“. Dieses Modell ebenso wie die wirksamsten Techniken der Selbstprogrammierung sollte der Mensch von klein auf zur Verfügung haben. Dafür will die Plattform für eine gewaltfreie Steiermark sorgen.
• Mit dem Satz „Ich gebe Frieden“ soll signalisiert werden, daß jede, jeder von uns Frieden GEBEN kann –sich selbst ebenso wie anderen. Fangen wir an!
(Text: R. A. Perner)
• der Vorstellung der ersten Plattformmitglieder
• ersten Statements von LAbg. Waltraud Dietrich (FPÖ), Präsident Dr. Franz Krispel (Landeskammer der Tierärzte Stmk) sowie einem Kooperationspapier der GEFAS Steiermark (Gesellschaft zur Förderung der Alterswissenschaften und des Seniorenstudiums an der Universität Graz),
• der Vorstellung des Aktionspakets (inklusive des Logos „Smiley mit Gewalt-Auge“),
• sowie weiterer Ideen für weitere Aktionen wider die Gewalt und dem Aufruf: Interessenten gesucht!
• Weiters wurden die Ansprechpartner bekannt gegeben.
2. Die Erfahrungen
2.1.
Der vorgesehene Zeitplan
Vorgesehen war die Durchführung des Projekts von Beginn Mai 1998 auf ein Jahr, also bis Ende April 1999.
Konkret sollte
• bis zu Ferienbeginn das Logo in vielfältiger Weise bekannt gemacht
• und damit die Bevölkerung auf die Aktion vorbereitet werden,
• es sollten über die Ferienmonate Kooperationen mit Institutionen aufgebaut werden, die Vorträge, Workshops oder Seminare für Multiplikator/innen anbieten könnten,
• weiters die Produzenten für die Schaffung von Unterrichtsbehelfen (Video, CD) gefunden und eingeschult
• und die wesentlichsten Entscheidungsträger für die Multiplikation des pädagogischen Inhalts gewonnen werden.
• Gedacht war weiters an die Durchführung von Informations- und Lehrveranstaltungen im Herbst, wobei die Präsentationen von Video und CD als Impulsgebung dienen sollte.
• Auch hatte ich vor, die Erkenntnisse aus dem Erfahrungsaustausch mit den Besucher/innen in Buchform zu kleiden und dieses Buch zum Abschluss des Projekts als Hilfestellung für alle, die sich umfassend über die Wurzeln der Gewalt und die Techniken der Gewaltminimierung informieren und diese Information weitergeben wollen, der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Wie vereinbart sollte ich mich rein um die fachspezifische Aufbereitung der Inhalte und die konkrete pädagogische Arbeit kümmern, W. D. Hugelmann mit seinem Team hingegen um die gesamte Organisations- und Kommunikationsarbeit.
2.2.
Der tatsächliche Zeitplan
Wie geplant, konnte das Video von der steirischen Künstler-Gruppe Team Art in den Monaten August und September produziert werden und stand der Präsentation nach den Terminwünschen von Landesrätin Dr. Rieder (26. 11.) nichts im Wege.
Ebenso plangemäß verlief die Produktion der Antigewalt-CD durch die Firma ProMotion / Annemarie Höld – Praschl. Deren Präsentation verzögerte sich allerdings durch Schwierigkeiten hinsichtlich des Covers, einem Kunstwerk des weltberühmten Grafikers Erich Sokol, das vom Verfassungsdienst des Landes beeinsprucht worden war (siehe 2. 5). Es kam dadurch zu einer Zeitverzögerung von fünf Monaten! (Die Präsentation war für die Zeit vor Weihnachten 1998 geplant gewesen, tatsächlich fand sie Ende Mai 1999 statt.)
Infolge des sparsamen Wirtschaftens war es aber möglich, diesen Event noch aus den Reserven der Subvention zu finanzieren sowie noch einen weiteren Monat der interessierten steirischen Bevölkerung mit pädagogischen Informationsveranstaltungen zur Verfügung zu stehen.
2.3.
Die Ausfälle
Gewaltstufe 3
Druck machen
Schuldgefühle machen
Nach einem erfolgsversprechenden Start Anfang Mai ergaben sich die ersten Konflikte, als Hannes Steinmann mich kurzfristig aufforderte, das Konzept der Gewaltfreien Steiermark im Rahmen eines Referates bei der Jahresversammlung der Tierärzte am 14. 5. 1998 vorzustellen – was mir eine große Freude gewesen wäre -, ich aber von 12. – 14. Mai ein Frauen-Selbstbewusstseins-Seminar für das Arbeitsmarktservice der Steiermark abzuhalten hatte. Trotz meiner Bereitschaft, auf meine Mittagspause zu verzichten, um das Referat halten zu können, war Steinmann weder bereit, dieses Entgegenkommen wert zu schätzen, noch zu seiner Realisierung beizutragen, sondern wollte mich ohne Abstriche dazu bringen, meinen Vertrag mit dem AMS zu brechen, um seinem – voreiligen – Angebot an die Tierärzte zu entsprechen. Mein Eindruck war, dass er verärgert wäre, weil ich mich ihm nicht anpassen „wolle“ (statt „konnte“).
Erste Kontakte mit potenziellen Multiplikator/innen verliefen vielversprechend: ein Referat in Hartberg über Kindesmisshandlung, ein Workshop für das Kinder- und Jugendtherapiezentrum in Graz, Kontaktgespräche mit der Obfrau des Berufsverbandes der Mediator/innen verlagerten die „Tisch-Arbeit“ (wöchentlicher Besprechungen) bereits ins „Feld“ der Zielgruppen.
Weniger erfolgreich war der Arbeitseinsatz von W. D. Hugelmann: Anfang Juni zeigten sich bei ihm Anzeichen von Depression verbunden mit einem völligen Ausfall kreativer Ideen (wobei offen bleibt, ob letztere Anlass oder Folge des Stimmungsabfalls waren). Seinem Ansinnen, ich möge seine Arbeit übernehmen, konnte ich infolge meiner anderweitigen beruflichen Verpflichtungen nicht entsprechen, Steinmann war noch „beleidigt“, also begann ich die von Wolfgang Biedermann entrierten Kooperationsgespräche durchzuführen: beispielsweise mit Herrn Radakovics vom Orfeum, Bernd Chibici von der Kleinen Zeitung; konkrete Herbsttermine konnte ich mit Herrn Mittlinger vom Bildungshaus Maria Trost vereinbaren, mit LAbg. Pußwald wurde Projektunterricht für Beginn des nachfolgenden Jahres in Aussicht genommen. Ohne Ausnahme wurde das Vorhaben als wichtig begrüßt, Unterstützung zugesagt, der Stil der Gespräche war immer respektvoll und gewaltfrei. Allerdings unterblieb – wie ich später erfuhr – die Nacharbeit durch W. D. Hugelmann, den seine Depression lähmte.
Gewaltstufe 1 bzw. 6
Zerstörung von Vertrauen und Sicherheit
durch „kriminelles“ Handeln
Am 16. Juni erstattete ich den Vertreterinnen der Ressortchefin, Dr. Ofner und Mag. Buchacher Bericht über den verlauf des Projekts und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass W. D. Hugelmann ohne mein Wissen und meine Zustimmung sich im März unter missbräuchlicher Verwendung meines Konzepts Vorarbeiten hatte bevorschussen lassen, die er mir ebenfalls in Rechnung gestellt hatte. Ich war empört über diesen doppelten Betrug (an mir und an der Landesregierung) und habe am folgenden Tag W.- D. Hugelmann die Zusammenarbeit aufgekündigt.
Durch diesen personellen Ausfall nicht nur von W. D. Hugelmann sondern auch von dem von seiner Seite stammenden Sekretariat sowie Grafik und Medienkommunikation vor Ort ergab sich die Notwendigkeit, nicht nur einen Ersatz zu finden, sondern auch alle von Hugelmann konzipierten Werbemittel nach Sinn und Zweckmäßigkeit kritisch zu überdenken. (Ich hatte ihm nicht in sein Konzept hineingeredet, 1. weil ich ihn – im Gegensatz zu mir Laiin- als professionellen Fachmann für PR und Werbung betrachtete, und 2. nicht unnötig sein „Revier“ verletzen wollte.)
Da Zeitdruck vorlag, fragte ich bei Univ. Lekt. Ulrike Süss – Lindert, der Chefin der PR – Firma Team Press, nach, die ja ohnedies meine Termine koordinierte und mit dem Konzept vertraut war, ob sie zu den vorgegebenen Konditionen für W. D. Hugelmann einspringen könnte, was sie dann auch tat.
Süss – Lindert verwarf die Ideen Hugelmanns, mittels „Spaßveranstaltungen“ Aufmerksamkeit zu erregen und beispielsweise durch Sticker mit dem Smiley („Das entwaffnende Lächeln“) Präsenz zu erzeugen, da sie der Meinung war, der Anlass wäre zu ernsthaft, um ihn zu trivialisieren.
Stattdessen entschied sie sich für die Produktion eines regelmäßigen Newsletters, der einerseits Medien wir Plattformmitglieder mit Antigewalt-Informationen zur Multiplikation des Wissens um deeskalierendes Verhalten anregen, andererseits den Wünschen von Landesrätin Dr. Rieder, mit dieser „ihrer“ Initiative in der Öffentlichkeit verankert zu sein, entsprechen sollte.
2.4.
Die Schwierigkeiten
Als erste Schwierigkeit empfand ich einerseits meinen persönlichen Kontakt als „Anbieterin“ zu Medienvertretern, andererseits wie bereits zu Beginn des Projekts von mir vermutet, zu den Personen, die mit ähnlichen Berufsqualifikationen wie ich in ähnlichen Berufsfeldern arbeiteten und manchmal sehr verletzendes Konkurrenzverhalten an den Tag legten.
Entgegen meinen bisherigen Erfahrungen mit steirischen Medien war es fast unmöglich, die pädagogischen Inhalte des Projekts in den Medien zu platzieren. Zwar gelang es – vor allem in der Zeit der Zusammenarbeit mit und daher auf Grund der Kontakte von W. D. Hugelmann – mich als Auskunftsperson zum Thema Gewaltverzicht, Gewaltvermeidung, Gewaltprävention in Hörfunk und Fernsehen zu Wort kommen zu lassen, was mir vor allem Misstrauen und Kritik von Landesrätin Dr. Rieder einbrachte, die diese Medienpräsenz offensichtlich gerne selbst wahrnehmen wollte, was aber nicht den Intentionen der Medienleute entsprach.
Andererseits entsprachen auch meine Intentionen offensichtlich nicht den redaktionellen Schwerpunkten: mein immer wieder geäußertes Ziel war es, zu veranlassen, dass bei jeder medialen Berichterstattung über Gewalt im Alltag – von der „üblichen“ familiären Misshandlung bis zu Mobbing, Nachbarschaftsbosheiten bis hin zu Kapitalverbrechen – in einem Kasten die Informationen neben gestellt würden, wie diese Vorkommnisse hätten verhindert werden können bzw. künftig abzuwenden seien.
Auch hatte ich die Idee, dass dann eine Sammlung dieser – oder von den Medienkonsumenten über Aufforderung eingesandten eigenen positiven Erfahrungen der Deeskalation von Konflikten – „Tipps“ von einem Sponsor als Broschüre – quasi wie ein Rezeptbuch – verwirklicht werden könnte. Leider fanden diese Anregungen keine Gegenliebe.
Mir wurde allerdings immer versichert: wenn es eine gute Veranstaltung gäbe, würde über diese sehr wohl berichtet werden – was zwar auch geschah, aber eben mein zu Grunde liegendes Ziel verfehlte: mir war / ist es nicht wichtig, dass berichtet wird, welche Festveranstaltung statt gefunden ha (und daher Eventmarketing zu betreiben), sondern aufzuzeigen, was man tun kann, damit keine Gewaltveranstaltungen statt finden!
Gewaltstufe 2
Konkurrenzkämpfe
Abwertungen
Sabotage
Die zweite Schwierigkeit erfuhr ich bzw. meine Mitarbeiterschaft durch gelegentliche subtile Gewaltaktionen aus beruflicher Konkurrenz, insbesondere aus dem Bereich des Kinderschutzes. Abgesehen von mimischen und gestischen Ausdrucksformen der Missachtung kam es sogar zu Situationen, in den Frauen, die zwanzig Jahre jünger sind als ich, mir höhnisch ins Gesicht sagten: „Was können Sie mir schon sagen, was ich nicht ohnedies schon weiß?“, dann aber eine halbe Stunde später von mir Unterlagen über Täterarbeit haben wollten (die herzugeben ich dann aber nicht die Großzügigkeit aufbringen konnte, da ich sie noch nicht selbst publiziert hatte und sie daher nicht – bzw. nicht an diese Person/en – „verschenken“ wollte). Diese „Untergriffe“ wurden sehr wohl von anwesenden Beamt/innen der Landesregierung verwundert registriert und ich darauf hin angesprochen, konnte aber mangels klärendem Gespräch nur vermuten, worauf sich dieses ablehnende Vorurteil beziehen könnte.
Wie ich in meiner Fachpublizistik [z.B. R. A. Perner, „Management macht impotent – Abschied vom Mythos Macher“, Orell Füssli Zürich 1997] mehrfach ausgeführt habe, sehe ich die Wurzel jeglicher Gewalt in destruktivem Konkurrenzverhalten basierend auf Unterlegenheitsbefürchtungen.
Als Gegenmittel propagiere ich Interesse statt Ablehnung, Annäherung statt Abschottung und Kennenlernen statt Kontaktvermeidung. Alle drei Verhaltensweisen brauchen Zeit, um nicht als Verhör, Überrennen oder „Aufmachen“ wiederum gewalttätig zu sein.
chronische Gewaltstufe 3
Zeitdruck
Schuldgefühle
Im Falle der Arbeit am Projekt „Gewaltfreie Steiermark“ kam es durch die Orientierung auf das gesamte Bundesland – und nicht nur Graz – zu eklatanter Zeitknappheit, die nur durch wohlwollendes Entgegenkommen selbstsicherer Kolleg/innen – wie z. B. der Mitarbeiterinnen des Projekts ARGUS, der GEFAS oder des Referats Frau und Familie des Amts der steirischen Landesregierung – überbrückbar wurde.
Enttäuschend für mich war, dass gerade Personen, die als Psychotherapeut/innen über hinreichende Selbstreflexion verfügen sollten, ihre eigene Gewalttätigkeit so wenig registrieren und damit genau das tun, was sie beruflich zu beseitigen versprechen: andere Menschen in Beziehungsstress bringen.
Gewaltstufe 2
Fremdenfeindlichkeit
Ich vermutet, dass die (von W. D. Hugelmann kalkulierte) Höhe der dem Projekt zugeteilten Subvention bei etlichen Kolleg/innen Neid und ein tiefes Gefühl, die eigene Arbeit würde gering geschätzt, ausgelöst hat.
Dazu möchte ich anmerken: Ich habe immer – und daher auch in diesem Zusammenhang – meine Solidarität in der Forderung nach regelmäßigen und daher sicheren sowie ausreichenden Dotierungen von Einrichtungen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens ausgedrückt.
Solidarität bedeutet für mich aber auch, dass man darauf verzichtet, sich in Abspaltungen gegnerisch gegenüber zu stehen und so als zersplitterte feindselige Gruppe/n leicht auseinander dividiert werden kann. Richtiger finde ich es, nachzufragen, wie die beneidete Person zu ihren Erfolgen gekommen ist und – dieses Wissen solidarisch zu teilen.
Auch wurde ich nicht in meiner Eigenschaft als (angeheiratete und dazumal hauptwohnsitzende) Steirerin wahrgenommen sondern als „feindliche“ Wienerin (die ich gar nicht bin, ich bin gebürtige und aufgewachsenen Niederösterreicherin), die (Zitat!) „Gelder aus der Steiermark abzieht“. Außerdem scheint es viele Phantasien über das Ziel des Projektes gegeben zu haben, denn ich wurde gelegentlich angeschnorrt, ich sollte doch mit „meiner“ Subvention andere Projekte subventionieren. Mein Angebot, „mein“ Projekt genau zu referieren wurde von diesen „Gegnern“ allerdings nicht wahrgenommen.
Gewaltstufe 1
Strukturelle Gewalt
Als dritte Schwierigkeit möchte ich anführen, wie belastend es für mich war, die Programmpunkte, die W. D. Hugelmann konzipiert hatte und die er hätte verwirklichen sollen, entsprechend der vereinheitlichten Projekteinreichung zur Erfüllung zu bringen. Ich behalf mir dabei, in dem ich teilweise „übergeordnete Werte“ erfüllte oder verschiedene Vorhaben sinngemäß zusammenfasste.
Gewaltstufe 4
demütigender Kommunikationsstil
Leider konnte ich weder erleben, dass diese Zwickmühle erkannt wurde, obwohl ich mich sehr bemüht habe, dies aufzuzeigen und zu erklären, noch wurde meinem Bemühen Anerkennung gezollt. Ganz im Gegenteil musste ich feststellen, dass der Kommunikationsstil mancher Beamt/innen zwischen Nörgelei und Anklage, Bevormundung und unbedachter Rechthaberei schwankte und damit kein Beispiel für Respekt oder gar Bürgerfreundlichkeit bildete. Verpflichtende Schulungen im Rahmen der Vorbereitung auf die Beamtendienstprüfungen wären sehr zu empfehlen!
2.5.
Die Behinderungen
Im Sinne gezielter Beobachtung paralleler Beziehungsdynamiken mit offenen oder subtilen Versuchen, andere der eigenen Gewalt zu unterwerfen oder zu vertreiben, und der Absicht, tiefenpsychologisch wirksame Handlungen der Propaganda für Gewaltverzicht zu setzen, erarbeitete ich sowohl mit der Künstlerkooperative Team Art (Video) als auch mit der Firma Pro Motion (CD) Umsetzungsstrategien für dieses Konzept.
In diesem Sinne der Transformation von Gewalt entwarf der international renommierte Zeichner Erich Sokol ein werbeträchtiges Cover für die CD, das – in seinem unverwechselbaren und durch zahlreiche Titelbilder der Sonntagsausgabe der Neuen Kronen Zeitung weit bekannten Stil – den bedrohlich Flammen speienden „steirischen Panther“ als lächelnde Schmusekatze abbildete.
Gewaltstufe 4
feindselige Sprache
Entzug von Respekt
Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass sich nach Ablauf der einkalkulierten Zeit für die offizielle Absegnung – wir wollten gerade in Produktion gehen um den Zeitplan der öffentlichen Präsentation einzuhalten – massive Zeitverzögerungen ergeben würden, weil die Landesamtsdirektion Einspruch gegen diese Darstellung erhob: sie sah darin eine „grobe Verunstaltung des geschützten Wappens“ und bediente sich der Formulierung: „Auch der Hinweis der Subventionsnehmerin auf „künstlerische Freiheit“ kann in diesem Zusammenhang nicht dazu führen, den Panther zu „verniedlichen“ und mit einem „grinsenden Katzenkopf“ zu versehen“ [Brief von Robert Schmidt vom 28. 01. 1999 (GZ: LAD 04.20 – 220)].
In der weiteren Folge ergab sich ein Briefwechsel, der von Seiten der Landesamtsdirektion von Beharren auf der „Rechtsmeinung“ gekennzeichnet war, die Grafik Sokols entspräche nicht den gesetzlichen Bestimmungen –obwohl dies nach meiner Rechtsansicht eine Frage des persönlichen Geschmacks darstellt: wer so wie ich laufend als Vortragsreisende unterwegs ist, kennt die teilweise plumpen Nachahmungen des Landeswappens auf Wohn- oder auch Gasthäusern, deren Besitzern vermutlich keine – wie mir ja mitgeteilt wurde: kostenpflichtige – „Auszeichnung verliehen wurde, das Landeswappen zu führen oder zu verwenden“.
Auf mir unbekannte Weise erlangte ein größerer Personenkreis Kenntnis von meinen Bemühungen, der befassten Beamtenschaft den künstlerischen – und damit auch kommerziellen – Wert der Sokolschen Grafik zu verdeutlichen, jedenfalls wurde ich sowohl von Politiker/innen als auch von Medienleuten – die natürlich die internationale Reputation Erich Sokols kannten – auf diesen Konflikt angesprochen, gab aber keinerlei Auskünfte über den Briefwechsel, bestätigte aber wahrheitsgemäß, dass es tatsächlich diesen Einspruch gäbe. ich war daher selbst verwundert, als ich durch einen Anruf einer steirischen Freundin erfuhr, dass meine Bewertung des Sokolschen Kunstwerks in der Kleinen Zeitung vom 10. 2. 1999 Eingang in einen Bericht unter dem Titel „Steirischer Panther lächelt: Da zeigte Juristin die Krallen“ gefunden hatte. Noch verwunderter war ich, dass sogar NEWS die Woche darauf einen spöttischen Kommentar auf dieses Vorkommnis brachte. Diese Art von Öffentlichkeitsarbeit hatte ich mir nicht gewünscht – sie zeitigte aber den Erfolg, dass das Sokolsche Cover schließlich doch die CD zieren durfte.
2.6.
Die Gewalterfahrungen
Da meinem Vorhaben, über ein Breitenmedium (Kleine Zeitung oder ORF) die steirische Bevölkerung einzuladen, zu deklarieren, welche Gewalterfahrungen ihrer Gesundheit (im ganzheitlichen Sinn, also Körper, Seele und Geist/ Bewusstsein als Einheit) Schaden zugefügt hätten und wie sie damit umgegangen wären, kein Erfolg beschieden war, ich aber ausloten wollte, welches Erlebnisse in welchem Ausmaß Dys-Stress auslöst, entschloss ich mich zur phänomenologischen Selbstbeobachtung und benützte dafür folgende Kategorisierung:
Gewaltstufe 1
Strukturelle Gewalt z. B. Vorenthalten von Informationen, Ausschluss von Mitbestimmung, die aber üblicherweise als Recht hierarchisch übergeordneter Institutionen / Personen unreflektiert akzeptiert wird
Gewaltstufe 2
destruktives Konkurrenzverhalten z. B. Fremdenfeindlichkeit im weiteren Sinn, Kommunikationsverweigerung, Diskriminierungen, Abwertungen, Sabotage
Gewaltstufe 3
Druck machen, Schuldgefühle machen
Gewaltstufe 4
Attacken auf das Selbstwertgefühl, Demütigungsversuche
Gewaltstufe 5
massiv feindseliges Verhalten, offene Einschüchterungsversuche, Drohungen
Gewaltstufe 6
Verhalten, das auch als kriminell bezeichnet wird / werden kann und daher üblicherweise als Berechtigung zu Anspruch auf Genugtuung bzw. Gegengewalt verstanden wird
Ich beobachtete also die
• Symptome, die Anstieg meines Adrenalin- bzw. Abfall des Dopamin-Spiegels signalisierten sowie
• Atmung,
• Muskeltonus,
• Gefühlsreaktionen und zugehörige
• Gedanken und
• Phantasien
(im Sinne der Vierheit von Wahrnehmung / Bewusstsein nach C. G. Jung [Jolande Jacobi, „Die Psychologie von C. G. Jung“, Fischer Frankfurt / Main 1977/82, S. 36 ff.] bzw. deren Harmonisierung im Focusing nach Gendlin [Eugene Gendlin, „Focusing“, Otto Müller Verlag Salzburg1981/84]) und reihte sie nach der Zeitquantität, die zu deren Abbau/ Verschwinden nötig war. Ich nahm mich dabei als „Mittelmaß“, da ich mich nach all den Ausbildungen / Eigentherapien, die ich absolviert habe, für gut balanciert (weder in Fühllosigkeit verhärtet noch in Wehleidigkeit zerfließend) halte.
Als auslösende Faktoren konzentrierte ich mich auf
• verbales wie nonverbales Kommunikationsverhalten von mir wie von den jeweils Anderen
• und das jeweilige Setting (nicht nur Sitzordnungen und Verfügbarkeit von Hilfsmitteln sondern auch juristische Rahmenbedingungen).
im Großen und Ganzen wurden meine Vorschläge ebenso wie die von mir angebotenen / demonstrierten Methoden der Gewaltprävention mit viel Verständnis, Anerkennung und Dankbarkeit aufgenommen. Besonders gefreut hat mich beispielsweise die Anerkennung des Landesschulratspräsidenten anlässlich einer Verbalattacke eines Teilnehmers im Rahmen der Enquete „Wege aus der Gewalt“, veranstaltet vom Referat Frau – Familie – Gesellschaft am 10. 11. 1998 in der Pädak Graz – Eggenberg, mein Konfliktverhalten wäre vorbildlich.
Diese Episode war aber deshalb ein so gelungenes Beispiel für gewaltfreie Konfliktbeilegung, weil der betreffende Teilnehmer seine Gefühle von Unverstandenwerden und mangelnder Unterstützung zwar durch die Adressierung an meine Person fehlformuliert, aber gefühlsmäßig authentisch geäußert hatte, so dass es für mich leicht war, auf den gemeinten Sinn der Botschaft einzugehen und ihm Unterstützung zu bieten.
Etwas ganz anderes stellt sich aber dar, wenn hinter Fragen, Aufträgen oder Informationen (Inhaltsebene) als gemeinter Sinn Demütigung, Einschüchterung oder Drohung (Beziehungsebene) wahrnehmbar wird. [vgl. Unterlagen zur Pressekonferenz am 14. 4. 1998 in Graz, umfassend ausgeführt in Rotraud A. Perner, „Schaff’ Dir einen Friedensgeist – Gewaltprävention im Alltag“, aaptos Verlag Wien 2001].
Die drei schmerzlichsten Gewalterfahrungen machte ich
• bei der höhnischen Infragestellung meiner Kompetenz in dem erwähnten Treffen des Jugendwohlfahrtsbeirats am 9. 12. 1998 (vgl. 2.4., „zweite Schwierigkeit“), die auch bei der Leiterin der Sitzung blankes Unverständnis auslöste,
• durch den Stil der Briefe, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich das in meinem Auftrag von Erich Sokol gestaltete Cover für die CD „Gewaltfreie Steiermark“ nicht verwendet werden dürfe, und in denen subjektive Rechtsansichten als objektiv allgemeingültige dargestellt wurden und damit meine durchaus fundierte Sichtweise sowie meine Kompetenz als Volljuristin und Gerichtssachverständige weggewischt wurde,
• bei einer „Vorladung“ ins Büro der Landesrätin am 22. 2. 1999, wo ich mich einer Art „Tribunal“ gegenüber sah, das mich „verhörte“, wieso die Geschehnisse rund um das Cover der CD in die Medienberichterstattung gelangt sei (was ich s. o. nicht wusste). Ich musste mich massivst dafür stark machen, dass mein Ehemann, der als Jahrzehnte lang tätiger PR – Berater von Kommunal- und Landespolitikern mich als Controller bei dem Projekt unterstützt hatte, als derjenige, der gerade in diesem Bereich der Projektsabwicklung Augen- und Ohrenzeuge meiner Versuche gewesen war, meinen Rechtsansichten Respekt zu verschaffen, anwesend sein konnte.
2.7.
Die Erfolge
Als erfolgreich ist zu bewerten, dass in den Teilen der
• Bevölkerung, die an den zahlreichen Vorträgen, Seminaren und Workshops teilnahmen, die Akzeptanz der Projektinhalte ebenso groß war wie die Bereitschaft zur Umsetzung, und sogar immer wieder der Wunsch nach noch mehr Information und Anleitung, längerer Dauer des Projekts und daher Nachfolgeveranstaltungen laut wurde,
• in den überwiegenden Gruppen von Kolleg/innen (weit gemeint: Angehörige von Bildungs-, Gesundheits- und Sozialberufen) freudig Veranstaltungen im rahmen des Projekts geplant und durchgeführt wurden. Besonders kooperativ waren die Bildungshäuser St. Martin und Maria Trost, das Bildungsreferat der Diözese Graz – Seckau sowie das Katholische Bildungswerk, die GEFAS Steiermark, die Einrichtung ARGUS / Jugend am Werk, die steirischen Gordon – Trainer/innen und das Referat Frau, Familie, Gesellschaft des Amts der Steirischen Landesregierung.
• aus dem Bereich der Politik engagierten sich konkret leider nur die Steirischen Kinderfreunde und die Grazer FPÖ. Kontakte mit anderen Parteien bzw. Politiker/innen reichten bedauerlicherweise über ein erstes Vorgespräch nicht hinaus.
• Als weiterer Erfolg ist zu werten, dass die Konzeption des Projekts Anfang 1999 von der niederösterreichischen Soziallandesrätin Traude Votruba übernommen wurde und bis zu deren Ausscheiden aus der Landesregierung für die Dauer eines halben Jahres eine ebenso umfassende Plattform gegründet und mediale Öffentlichkeitsarbeit betrieben wurde.
• Die steirischen Medien wurden von Univ. Lekt. Süss – Lindert regelmäßig, vor allem auch mittels Newsletter, mit Informationen versorgt und meldeten sich auch immer wieder mit Interviewwünschen, wenn besondere Gewalttaten zu verzeichnen waren. Allerdings wurde mir über Univ. Lekt. Süss- Lindert vom Büros Landesrätin Rieder ausgerichtet, ich solle nur nach Rücksprache mit diesem Büro Interviews geben und im übrigen diese Tätigkeit der Landesrätin überlassen – was ich einerseits als Misstrauensvotum (nach den Ereignissen rund um das Cover der CD), andererseits wohl als mangelnde Anerkennung meiner tiefenpsychologischen / pädagogischen Kompetenz interpretieren musste.
• Von all den Aktivitäten, für das Projekt Sponsoren zu interessieren, konnte ich max.mobil gewinnen, kostenlos eine Hotline einzurichten, über die Interessierte Auskünfte über das Projekt, die nächsten Veranstaltungen erhalten sowie ihre Wünsche und Anregungen deponieren konnten. An dieser Stelle sei max.mobil für sein Engagement für Gewaltfreiheit und Gewaltverzicht ausdrücklich gedankt.
3. Die Schlüsse
3.1.
Was hätte am ursprünglichen Konzept nicht geändert werden dürfen
• Ich ging 1997 davon aus, dass ich meine Konzept an die Landesregierung „verkaufe“ = informiere, einschule und die Multiplikator/innen supervidierend begleite, was mir auch die Möglichkeit gegeben hätte, die Forschungsdaten zu erhalten, die ich dann im Sinne des Aufzeigens der Schwierigkeiten von Gewaltprävention hätte interpretieren können. Die Verantwortlichkeit wollte ich im Bereich der Landesregierung belassen. Rückblickend gesehen hätte das wohl eine stärkere Identifizierung der Landesverantwortlichen bedeutet (bedeuten müssen).
• Durch das „Eindringen“ von W. D. Hugelmann mit seinen Ideen und Anregungen wurde mein Konzept „ergänzt“. Die Verantwortlichkeit für diese Ergänzungen hätte bei W. D. Hugelmann bleiben müssen.
• Dadurch, dass mir seitens der Landesregierung mit dem Argument „Wir wollen eine einzige Ansprechperson haben“ eine Gesamtverantwortung oktroyiert wurde, deren Folge an Zeitbelastung und damit Stress ich nicht abschätzen und daher auch nicht ablehnen konnte, wurde mein für dieses Projekt vorgesehenes Zeit- und Kraftpotenzial zunehmend geringer.
3.2.
Was hätte von Seiten der Landesregierung gemacht werden können / müssen
• Bei voller Anerkennung des Entgegenkommens von Dr. Ofner (Büro Landesrätin Dr. Rieder) und Mag. Buchacher (Fachabteilung für das Sozialwesen), mir kompetente und hilfreiche Gesprächspartnerinnen zu sein, wäre ein permanent öffentlich deklariertes Engagement von Seiten der Ressortleitung für dieses Konzept der Gewaltprävention unabdinglich gewesen. Eine diesbezügliche Kooperation mit den für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Personen kam aber trotz meines Bemühens nicht zustande.
• Ebenso wäre ein persönliches Engagement der Verwaltungsspitze über das gelegentliche Halten von Reden bei Großveranstaltungen hinaus hilfreich gewesen. Mir ist aufgefallen, dass die von mir immer wieder angeregte Zusammenarbeit mit anderen Landesrät/innen bzw. Politiker/innen (im Sinne einer „Kultur des Teilens“ [Nachtrag: so der Titel eines von mir im März 2002 im Ueberreuter Verlag veröffentlichten stark biographischen Buches, das sich als Nachfolgeschrift zu „Schaff’ Dir einen Friedensgeist – Gewaltprävention im Alltag“ versteht.]) vermieden bis ausdrücklich abgelehnt wurde. Dieses „Embargo – Denken“ zählt für mich zu den leider üblichen Formen destruktiven Konkurrenzverhaltens. Hier einen neuen Stil zu erproben halte ich wegen der Vorbildwirkung für Beamt/innenschaft wie Bevölkerung für sinnvoll und notwendig.
• Zu diesem – von mir sehr wohl vorgeschlagenen – Engagement hätte gehört, die Mitglieder der Plattform immer wieder zu Gesprächen einzuladen und nachzufragen, was sie jeweils in ihrem Wirkungskreis zur Umsetzung des Konzepts getan hätten – beispielsweise an Aus- und Fortbildungen im Rahmen der zugehörigen Akademien, Berufsverbände etc. (was das Landesbudget in keiner Weise belastet hätte, weil diese Einrichtungen ohnedies dotiert sind und man nur inhaltliche Schwerpunkte hätte setzen müssen!). Ich hatte aber den Eindruck, dass auch diese „Wirksamkeit“ von mir erwartet wurde – was für mich eine Überschätzung meiner korrekten Möglichkeiten, daher Überforderung, vor allem aber auch Anmaßung von Übermacht bedeutet hätte.
3.3.
Was hätte von Seiten der ARGE gemacht werden können / müssen
• Sobald wir / ich erkannt habe/n, dass kein Medium bereit ist, die Initiative als Kooperationspartner mit zu tragen, hätte ein anderer Kooperationspartner gesucht werden müssen. Einen solchen zu orten, war mir auf Grund mangelnder Beziehungen nicht möglich.
• Sobald wir / ich erkannt habe/n, dass in den Medien nur die Tatsache der Gründung der Plattform transportiert wird, nicht aber der zu Grunde liegende Gedanke, hätte die ursprüngliche Idee einer Internet-Plattform forciert gehört. Dies konnte ich auf Grund meiner Arbeitsüberlastung nach dem Ausscheiden von W. D. Hugelmann nicht realisieren, da ich ja die Inhalte hätte konzipieren müssen und ich durch Übernahme der frei gewordenen Organisationsaufgaben dafür kein Zeitbudget mehr offen hatte. Dies hätte aber leicht ein/e Kooperationspartner/in z. B. von der Arge Jugend gegen Gewalt und Rassismus übernehmen können, diesbezügliche erste Gespräche hätte ich gezielt weiter verfolgen müssen – ich wollte aber nicht gewalttätig Nachdruck üben, da ich ohnedies für die erwiesene Unterstützung gerade aus dieser „Schwester – Organisation“ sehr dankbar war.
• Wir/ ich hätte/n viel mehr persönliche Briefe schreiben und Gespräche führen müssen – das war auf Grund meiner zeitlichen Überlastung – ich hatte/ habe ja meine eigene Firma zu führen, in der ich für meine Angestellten verantwortlich bin – nicht möglich, und Univ. – Lekt. Süss – Lindert beschränkte ihre Tätigkeit entsprechend ihrer Kalkulation ausdrücklich auf die Kommunikation mit der Landesregierung, anfragenden Interessent/innen und mir sowie die Gestaltung/ Verteilung des regelmäßigen Newsletters.
• Diese Mängel waren mir sehr wohl bewusst, doch war es für mich im Sinne meines Konzepts selbstverständlich, dass ich auf die alltäglich zu beobachtenden Repressions-, Manipulations- und Ausbeutungsversuche mittels subtiler oder ausdrücklicher Gewalt verzichte.
3.4.
Was könnte in Zukunft gemacht werden
• Wissen über Gewaltprävention – also darüber, wie man konkret Gewalt vermeidet, verhindert oder zum verschwinden bringt, wenn man selbst in eine Situation gerät, in der man Zeuge, Opfer oder Täter/in werden könnte, sollte für alle Menschen selbstverständlich verfügbar sein.
• Gewaltprävention ist daher primär ein Bildungsauftrag, der zu den Zeiten, an den orten, also überall dort zum Tragen kommen sollte, wo Menschen etwas Neues lernen sollen/ können – besonders dort, wo es sich um Vorbild-Berufe handelt.
• Verpflichtende Schulungen von Beamt/innen im Rahmen der Vorbereitung auf die Beamtendienstprüfungen, insbesondere Jurist/innen in gewaltsensibler Kommunikation
• Verpflichtende Schulung von Politiker/innen (aber ebenso Funktionär7innen der Einrichtungen der Sozialpartnerschaft) in Gewaltprävention, mediatorischem Denken und gewaltverzichtender Sprachkompetenz, sobald sie Landes – oder Kommunalmandate annehmen
• Verpflichtender Einbau von „Anleitungen zum Frieden Geben“ in die Ausbildungen aller Bildungs-, Gesundheits- und Sozialberufe und in der Medienberichterstattung, daher
• Gewaltprävention vor allem auch als Basis-Wissen für Journalist/innen.
3.5.
Schlussbemerkung
Was mir in all den vielen Begegnungen im Rahmen des Projekts aufgefallen ist, ist:
• je mehr an Macht / Position jemand zu verlieren oder erst zu gewinnen hatte, desto eher zeigte sich solch eine Person / Institution gegenüber der Intention, Gewaltverzicht zu propagieren, verschlossen. Diese Haltung war auch von respektlosen Kommunikationsformen begleitet.
• je weniger diese Person / Institution an Macht interessiert war sondern andere Primärziele hatte, desto kooperativer erwies sie sich. Ebenso zeigte sich hier ein partnerschaftlicher Kommunikationsstil.
• Je mehr jemand echte soziale Anerkennung genoss, desto weniger strebte diese Person nach Macht, war daher bereit, kooperative Problemlösungsmethoden anstelle von konkurrierenden oder hierarchischen anzuwenden. Zur sozialen Anerkennung gehört neben positivem Feedback auch eine faire Entlohnung. Im Kontakt mit vergleichbaren Projekten und den darum bemühten Kolleg/innen konnte ich feststellen, dass sich der Großteil von ihnen weder gerecht entlohnt noch im alltäglichen Umgang in ihrem Bemühen gebührlich anerkannt fühlte. Auch wenn das Projekt Gewaltfreie Steiermark entsprechend der von W. D. Hugelmann konzipierten Kalkulation dem Anschein nach großzügig dotiert war – ein Großteil der Subvention entfiel ja auf die Produktion / Präsentation des Videos und der CD sowie die vielen Informationsveranstaltungen – fand mein Arbeits- und Energieeinsatz keine adäquate Entsprechung. Meine ursprüngliche Konzeption, nur die Idee / Einschulung („Train the Trainer“) zu „verkaufen“ und von vielen, vor allem auch beamteten, Kolleg/innen durchführen zu lassen, wäre zumindest für meine Person wohl die effizientere Methode gewesen und hätte das schmerzlich spürbare Machtungleichgewicht zu meinen lasten verringert. Sie hätte allerdings größeren Zeit – und Energieaufwand und damit ein echtes Teilen von Engagement und Verantwortung für andere bedeutet.
Wien, 22. September 2002