Gottlos?

"Perners Notizen" | Wiener Zeitung

„Perners Notizen“ in der
„Wiener Zeitung“

Dieses Wort im Titel von Adolf Holls neuestem Buch, „Brief an die gottlosen Frauen“, hat es mir angetan: Das Nachdenken. Die Freude.

Holl vermutet, dass Frauen „von Haus aus“ eher zur Gottlosigkeit neigen als Männer.
Stimmt, pflichte ich ihm bei – denn wenn eine Frau aufrecht und damit auch aufrichtig da stehen will, darf sie sich nicht unter einen „Oberen“ „beugen“ (wohl aber wertschätzen!). Das darf sie, wenn sie dienen will. Aber will sie das? Selbst bei Schiller heißt es im Lied von der Glocke, das Angehörige meiner Generation noch auswendig lernen mussten, quasi als heimliche Indoktrination zur geschlechtsspezifischen Rollenteilung: drinnen „waltet“ die züchtige Hausfrau – während angeblich nur der Mann hinaus müsse ins feindliche Leben – und nicht „drinnen dient“ die Wohlgelobte …

Walten und Gewalt besitzen die selbe Sprachwurzel. Der Begriff der häuslichen „Schlüsselgewalt“ fällt mir ein: wer den Haushalt führt ohne über eigenes Einkommen zu verfügen, darf auf Kosten der Person, die für die Finanzmittel sorgt, angemessene Haushaltsanschaffungen tätigen, auch wenn es der nicht passt.

Demgegenüber entpuppt sich „Minister“ – eingedeutscht – als „Diener“. Als Staatsdiener wohlgemerkt, nicht als Parteibüttel. Aber darüber gehen die Meinungen auseinander. Das habe ich selbst erlebt, als ich noch Politikerin war, eine ganz kleine an der Bezirksbasis wohlgemerkt (selbst wenn Wien-Favoriten sich stolz als drittgrößte Stadt Österreichs bezeichnet und damit die Größe des „Waltens“ steigt!): wann immer ich meine Standpunkte erklärte, indem ich sagte, ich verstünde mich als Volksvertreterin und nicht als Regierungsverteidigerin, erntete ich Unverständnis, boshafte Zustimmung oder liebevolle Warnungen, und mir wurde klar: Parteidisziplin beginnt für viele nicht erst bei der Abstimmung, sondern schon beim Denken. Und: sie beginnt für viele oberhalb des eigenen Denkapparats.

„Kopf oben“ formulieren wir, oder auch „erhobenen Hauptes“, wenn wir anerkennen, wenn jemand seine – ihre! – Selbstbehauptung nicht aufgeben mag. Das ist oft nicht einfach, wenn man sich der Zustimmung der Anderen nicht sicher sein kann. Wir, „die Gesellschaft“, reden zwar gerne vom „Mut zum aufrechten Gang“, aber wenn eine Frau sich den zumutet, ohne von einem Mächtigeren am Arm geführt zu werden oder zumindest einen Auftrag oder eine Erlaubnis erhalten zu haben, scheiden sich die Geister: in diejenigen, die Demut fordern, da als Einübung in die Spielregeln der Unterwerfung befürworten, und andere, die mit Bettina Wegener meinen: „Menschen ohne Rückgrat“ – die man daher stützen muss – „haben wir schon zu viel“.

Demut verstehe ich als Verzicht auf Hochmut, nicht als Duldung von Demütigungen. Heute erwarten Frauen – immerhin die prozentuelle Mehrheit in unserem Land – von Frauen in Führungs- und damit Vorbildfunktionen, dass sie verzichten, sich als Gottimitationen zu inszenieren, sondern ihre Aufgabe erfüllen und nicht mehr. Und sie erwarten, dass sie sich von falschen Göttern los sagen. Gottlos? Ich meine: wann immer Gott, dann den im Herzen.